Rz. 57

Nach § 45 Abs. 1b S. 1 Nr. 2 StVO treffen die Straßenverkehrsbehörden die notwendigen Anordnungen im Zusammenhang mit der Kennzeichnung von Parkmöglichkeiten für schwerbehinderte Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung, beidseitiger Amelie oder Phokomelie oder mit vergleichbaren Funktionseinschränkungen sowie für blinde Menschen. Die Einräumung eines Parksonderrechts sowie die Einrichtung eines ausgewiesenen Schwerbehindertenparkplatzes stehen dabei im Ermessen der zuständigen Straßenverkehrsbehörde.[83]

Mit dem Erlass dieser Vorschrift verfolgte der Gesetzgeber das Ziel, den entwürdigenden Zustand zu beenden, dass Schwerbehinderte mit außergewöhnlicher Gehbehinderung keine Parkmöglichkeiten vor ihrer Wohnung oder Arbeitsstätte finden und unzumutbare weite Wege gehen oder gar getragen werden müssen. Sie dient daher ersichtlich der Verbesserung der Lebensbedingungen für Schwerbehinderte mit außergewöhnlicher Gehbehinderung durch die Reservierung von Parkraum zu Lasten des allgemeinen Individualverkehrs und stellt damit eine bewusste Privilegierung als notwendigem Nachteilsausgleich für Schwerbehinderte mit außergewöhnlicher Gehbehinderung dar.[84]

 

Rz. 58

Nach VwV zu § 45 StVO, Ziffer IX. Nr. 2a setzen Parkplätze für bestimmte Schwerbehinderte mit außergewöhnlicher Gehbehinderung und Blinde, z.B. vor der Wohnung oder in der Nähe der Arbeitsstätte, eine Prüfung voraus,

ob ein Parksonderrecht erforderlich ist. Das ist z.B. nicht der Fall ist, wenn Parkraummangel nicht besteht oder der Schwerbehinderte in zumutbarer Entfernung eine Garage oder einen Abstellplatz außerhalb des öffentlichen Verkehrsraums hat,
ob ein Parksonderrecht vertretbar ist,
und ein zeitlich beschränktes Parksonderrecht genügt.

Dabei darf eine generelle Ablehnung der Erforderlichkeit der Einrichtung eines Schwerbehindertenparkplatzes für den Fall, dass der Pkw nicht von dem Schwerbehinderten selbst sondern etwa von seinem Pfleger verwendet wird, nicht erfolgen. Dies liefe nämlich ansonsten auf eine Benachteiligung gerade derjenigen schwerbehinderten Menschen hinaus, die aufgrund ihrer Behinderung nicht einmal in der Lage sind, ein Kraftfahrzeug selbst zu führen.[85]

 

Rz. 59

Die Ausweisung eines Schwerbehindertenparkplatzes ist aber jedenfalls dann nicht erforderlich anzusehen, wenn dem Betroffenen in unmittelbarer Nähe zu seinem Wohnanwesen ein Park- bzw. Abstellplatz für das Fahrzeug zur Verfügung steht. Dies ist auch dann der Fall, wenn die Zugänglichkeit etwa durch das zusätzliche Aufstellen eines Hinweisschildes "Einfahrt bitte freihalten" dauerhaft erreicht werden kann.[86]

 

Rz. 60

Die durch die Ausweisung eines Schwerbehindertenparkplatzes dauerhaft gegebene Möglichkeit des Abstellens des Fahrzeuges unmittelbar vor dem Hauseingang des Wohnanwesens selbst muss dagegen nicht gewährleistet sein. Der Betroffene muss sich insoweit darauf verweisen lassen, für die erforderliche Wegstrecke zu der Garagenzufahrt seinen Rollstuhl zu benutzen bzw. diese mit Hilfe seiner Pflegekraft oder anderer Personen zurückzulegen. Etwaige damit verbundene, vergleichsweise geringfügige Beschwerlichkeiten müssen hingenommen werden.[87]

[83] Zu einem ausgewiesenen Behindertenparkplatz allgemein: BVerfG, Beschl. v. 24.3.2016 – 1 BvR 2012/13, zfs 2016, 414: Ein ausgewiesener Behindertenparkplatz muss gerade im Sinne der Benutzung durch Behinderte "verkehrssicher" gestaltet werden. Die Verkehrssicherungspflicht für einen eingerichteten und als solchen gekennzeichneten Behindertenparkplatz ist daher im Lichte der grundgesetzlichen Bestimmung des Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG zu sehen.
[84] Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, § 6 StVG Rn 22c; VG Saarland Urt. v. 8.9.2010 – 10 K 764/09.

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