Rz. 37

Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs dürfen nur angeordnet werden, wenn

aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse
eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in § 45 Abs. 1 bis 8 genannten Rechtsgüter (insbesondere Leben und Gesundheit von Verkehrsteilnehmern sowie öffentliches und privates Sacheigentum) erheblich übersteigt.[57]

§ 45 Abs. 9 S. 2 StVO verdrängt in seinem Anwendungsbereich die allgemeine Regelung des in § 39 Abs. 1 und § 45 Abs. 9 S. 1 StVO.[58]

 

Rz. 38

Durch die vorgesehene "Erste Verordnung zur Änderung der StVO" soll § 45 StVO wie folgt geändert werden (vgl. BR-Drucks 332/16 vom 15.6.2016):

Zitat

a) Absatz 9 wird wie folgt gefasst:

"(9) Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen sind nur dort anzuordnen, wo dies aufgrund der besonderen Umstände zwingend erforderlich ist. Dabei dürfen Gefahrzeichen nur dort angeordnet werden, wo es für die Sicherheit des Verkehrs erforderlich ist, weil auch ein aufmerksamer Verkehrsteilnehmer die Gefahr nicht oder nicht rechtzeitig erkennen kann und auch nicht mit ihr rechnen muss. Insbesondere Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs dürfen nur angeordnet werden, wenn aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in den vorstehenden Absätzen genannten Rechtsgüter erheblich übersteigt. Satz 3 gilt nicht für die Anordnung von"

1. Schutzstreifen für den Radverkehr (Zeichen 340),
2. Fahrradstraßen (Zeichen 244.1),
3. Tempo 30-Zonen nach Absatz 1c,
4. verkehrsberuhigten Geschäftsbereichen nach Absatz 1d,
5. innerörtlichen streckenbezogenen Geschwindigkeitsbeschränkungen von 30 km/h (Zeichen 274) nach Absatz 1 Satz 1 auf Straßen des überörtlichen Verkehrs (Bundes-, Landes- und Kreisstraßen) oder auf weiteren Vorfahrtstraßen (Zeichen 306) im unmittelbaren Bereich von an diesen Straßen gelegenen Kindergärten, Kindertagesstätten, allgemeinbildenden Schulen, Förderschulen, Alten- und Pflegeheimen oder Krankenhäusern.

Satz 3 gilt ferner nicht für Beschränkungen oder Verbote des fließenden Verkehrs nach Absatz 1 Satz 1 oder Satz 2 Nummer 3 zur Beseitigung oder Abmilderung von erheblichen Auswirkungen veränderter Verkehrsverhältnisse, die durch die Erhebung der Maut nach dem Bundesfernstraßenmautgesetz hervorgerufen worden sind. Satz 3 gilt zudem nicht zur Kennzeichnung der in einem Luftreinhalteplan oder einem Plan für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen nach § 47 Absatz 1 oder 2 des Bundesimmissionsschutzgesetzes festgesetzten Umweltzonen nach Absatz 1f.“

b) Nach Absatz 9 wird folgender Absatz 10 angefügt:

"(10) Absatz 9 gilt nicht, soweit Verkehrszeichen angeordnet werden, die zur Förderung der Elektromobilität nach dem Elektromobilitätsgesetz getroffen werden dürfen."

 

Rz. 39

Der bisherige Absatz 9 soll damit zunächst im Interesse einer besseren Lesbarkeit neu strukturiert werden.[59]

In § 45 Abs. 1 Nr. 5 StVO wird darüber hinaus die hohe Hürde (z.B. Nachweis einer Unfallhäufungsstelle bzw. eines Unfallschwerpunktes zum Beleg des erheblichen Übersteigens des allgemeinen Risikos einer Beeinträchtigung der in den Absätzen genannten Rechtsgüter) für die streckenbezogene Anordnung von Tempo 30 auf Hauptverkehrsstraßen in unmittelbarer Nähe der abschließend aufgezählten sensiblen Bereiche mit Zugang zur Straße abgesenkt. Einen Baustein zur Verbesserung der Verkehrssicherheit für schwächere Verkehrsteilnehmer, zu denen insbesondere Kinder und ältere Personen zählen, kann die erleichterte streckenbezogene Anordnung von Tempo 30 auch an innerörtlich klassifizierten Straßen (Bundes-, Landes und Kreisstraßen) sowie auf weiteren Vorfahrtstraßen (Zeichen 306) insbesondere vor allgemeinbildenden Schulen, Kindergärten, Kindertagesstätten aber auch Senioren- und Pflegeheimen darstellen. Die Schaffung der Anordnungsmöglichkeit von Tempo 30 auf diesen Straßen im unmittelbaren Bereich dieser Einrichtungen ist vor dem Hintergrund, dass die genannten Bereiche unter Verkehrssicherheitsaspekten besonders schützenswert sind, im Einzelfall durchaus geboten, ohne dass es des aufwendigen konkreten Nachweises bedarf.[60] Die Änderung lässt § 45 Abs. 9 S. 1 StVO aber unberührt. Mit der Änderung ist folglich kein Automatismus verbunden, dass Tempo 30 vor solchen Einrichtungen stets anzuordnen ist. Es ist daher weiterhin eine Einzelfallprüfung erforderlich.[61]

 

Rz. 40

Aus § 45 Abs. 9 S. 2 i.V.m. § 45 Abs. 1 StVO folgt, dass die Maßnahmen im Ermessen der zuständigen Behörde stehen; insofern gelten die Regeln über das ermessensfehlerfreie Verwaltungshandeln. Es gilt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.[62]

 

Rz. 41

Besondere örtliche Verhältnisse können nach BVerwG[63] bei einem Lkw-Überholverbot insbesondere in Streckenführung, dem Ausbauzustand der Straße, witterungsbedingten Einflüssen wie z.B. Nebel, Schnee- und Eisglätte, der dort anzutreffenden Verkehrsbelastung und den daraus resultierenden Unfallzahlen begründet sein. Eine besondere Verkehrsbelas...

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