Rz. 14
Das Straßenverkehrsrecht ist in seiner Gesamtausrichtung präferenz- und privilegienfeindlich. Es geht grundsätzlich von der Gleichbehandlung und Gleichrangigkeit aller Verkehrsteilnehmer aus. So wäre z.B. durch die flächendeckende Überspannung einer gesamten Innenstadt mit Anwohnerparkzonen die Parkmöglichkeiten weitgehend dann privilegierten Anwohnern vorbehalten, während allen übrigen Verkehrsteilnehmern das Parken extrem erschwert oder sogar unmöglich gemacht würde. Die Privilegienfeindlichkeit des Straßenverkehrsrechts schließt dies daher aus. Die Einrichtung einer Sonderparkzone für Bewohner (§ 45 Abs. 1b S. 1 Nr. 2a StVO) und deren damit ermöglichte Privilegierung verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 (zu Einzelheiten vgl. Rdn 61 ff. [Parkplatzregelungen für bestimmte Personengruppen]).
Rz. 15
Privilegierungen können sich aus den Grundrechten ergeben. So besteht nicht nur die Pflicht zur Ausweisung von Behindertenparkplätzen; ein ausgewiesener Behindertenparkplatz muss auch sicher gestaltet werden (Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG, Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 UN-BRK – Allgemeine Handlungsfreiheit und Grundrecht auf Mobilität). Eine nach Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG verbotene Benachteiligung liegt nicht nur bei Maßnahmen vor, die die Situation von Behinderten wegen der Behinderung verschlechtern. Eine Benachteiligung kann auch bei einem Ausschluss von Entfaltungs- und Betätigungsmöglichkeiten gegeben sein, wenn dieser Ausschluss nicht durch eine auf die Behinderung bezogene Förderungsmaßnahme hinlänglich kompensiert wird. Die Verkehrssicherungspflicht für einen eingerichteten und als solchen gekennzeichneten Behindertenparkplatz ist daher im Lichte der grundgesetzlichen Bestimmung des Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG zu sehen; ihr Inhalt wird durch diese Grundentscheidung mitgeprägt. Ebenso ist bei der Würdigung der Frage eines Mitverschuldens der Behinderten am Unfall (§ 254 BGB) die Ausstrahlungswirkung zu berücksichtigen.
Rz. 16
Andererseits verstößt ein Lkw-Überholverbot nicht gegen dieses Prinzip. Diese Verbote bezwecken die Erhöhung der Verkehrssicherheit und dienen der Gefahrenabwehr. Soweit dadurch zugleich der Verkehrsfluss auf der Überholspur verbessert wird, was im Ergebnis insbesondere den Pkw-Fahrern nutzen mag, handelt es sich um eine mittelbare Folgewirkung, nicht aber um eine gezielte Privilegierung des Pkw-Verkehrs.
Rz. 17
Am 26.9.2015 ist die 50. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 2.10.2015 in Kraft getreten. Die Änderungen betreffen die StVO, die Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr und die FZV. Es geht um die Umsetzung von Vorgaben des am 12.6.2015 in Kraft getretenen Gesetzes zur Bevorrechtigung der Verwendung von elektrisch betriebenen Fahrzeugen – Elektromobilitätsgesetz (EmoG). Mit dem EmoG verfolgt die Bundesregierung das Ziel, die Verbreitung von elektrisch betriebenen Fahrzeugen zu fördern, indem sie diese privilegiert. Bis dahin gab es im deutschen Recht keine Ermächtigungsgrundlagen, die u.a. eine Parkbevorrechtigung und Parkgebührenbefreiung für elektrisch betriebene Fahrzeuge im öffentlichen Verkehrsraum sowie die dafür erforderliche Kennzeichnung der Fahrzeuge zur Förderung der Elektromobilität ermöglichten. Nach Darstellung der Bundesregierung zeigen Erfahrungen, dass gerade die Länder und Kommunen großes Interesse an der Einräumung solcher Privilegien aus nicht-ordnungsrechtlichen Gründen haben. Mit der Regelung wird zum einen zur Förderung einer nachhaltigen umwelt- und klimafreundlichen Mobilität eine Kennzeichnungsregelung geschaffen, die die Grundlage für die Kennzeichnung privilegierter elektrisch betriebener Fahrzeuge bildet. Zum anderen werden die durch das EmoG geschaffenen Ermächtigungen zum Erlass der Verordnungen ausgefüllt. Auf Grundlage einer unselbstständigen Verordnungsermächtigung werden Bevorrechtigungen für elektrisch betriebene Fahrzeuge in die Straßenverkehrs-Ordnung eingeführt.