Rz. 79

Die Frage, ob in der Güteverhandlung einem Vergleich zugestimmt werden sollte oder nicht, beantwortet sich danach, ob damit das in Vorbereitung des Kündigungsschutzprozesses gemeinsam erarbeitete Ziel erreicht werden kann. Hinsichtlich derjenigen Fälle, in denen der Arbeitnehmer bereits einen neuen Arbeitsplatz gefunden hat (und diesen aller Wahrscheinlichkeit nach auch auf Dauer behalten wird), gilt das oben Ausgeführte (siehe Rdn 49, 64): Ein schneller Vergleichsschluss ist erstrebenswert, selbst wenn eine damit verbundene Abfindung vergleichsweise niedrig ausfällt, denn die Tatsache des neuen Beschäftigungsverhältnisses wird dem Arbeitgeber in der Regel nicht lange verborgen bleiben, der dann regelmäßig nicht mehr zu nennenswerten Zahlungen bereit sein wird. Die Fortführung des Kündigungsschutzprozesses bedeutet wegen des deutlich verringerten Annahmeverzugslohnrisikos für den Arbeitgeber meist keine wesentliche Gefahr mehr. Zum Teil erklären Arbeitgeber in einer solchen Situation auch, aus der Kündigung keine Rechte mehr herzuleiten (sog. "Rücknahme" der Kündigung), was einem rückkehrunwilligen Arbeitnehmer nicht von Nutzen ist.

 

Rz. 80

Wird der Arbeitnehmer hingegen voraussichtlich in der nächsten Zeit arbeitslos sein, ist Eile beim Vergleichsabschluss nicht erforderlich (siehe oben Rdn 65). Wenn es nicht gelingt, die vorher gemeinsam mit dem Mandanten festgelegten Ziele durchzusetzen, wird ein Scheiternlassen der Güteverhandlung zu erwägen sein. Der Fortgang wirkt sich in zweierlei Hinsicht zugunsten des Arbeitnehmers aus: Zum einen steigt mit anhaltender Arbeitslosigkeit das betragsmäßige Risiko des Arbeitgebers, im Falle des Unterliegens Annahmeverzugslohn zahlen zu müssen. Zweitens muss der im Hinblick auf die soziale Rechtfertigung der Kündigung darlegungs- und beweisbelastete Arbeitgeber hierzu nunmehr ins Einzelne gehende Ausführungen tätigen und auch zu möglichen anderen Unwirksamkeitsgründen, wie z.B. einer fehlerhaften Betriebsratsanhörung, Stellung nehmen. Die Erfahrung zeigt, dass mit der Notwendigkeit dieser schriftlichen Darlegungen und Beweisangebote die Schwächen einer Kündigung ans Licht kommen.

 

Rz. 81

 

Praxishinweis

Der Arbeitnehmervertreter sollte auch auf das Argument vorbereitet sein, der Arbeitgeber befinde sich in schlechten wirtschaftlichen Verhältnissen oder stehe gar kurz vor der Insolvenz, deshalb werde der Arbeitnehmer bei weiterem Zuwarten möglicherweise leer ausgehen. Meist hat der Arbeitnehmer in Bezug auf den wirtschaftlichen Zustand der Firma einige Kenntnisse, die der Arbeitnehmervertreter sich weitergeben lassen sollte, um abschätzen zu können, ob es um den Arbeitgeber tatsächlich so schlecht steht wie behauptet.

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