Rz. 98

Vor allem in denjenigen Fällen, in denen der Arbeitnehmer sich nach wie vor im Zustand der Arbeitslosigkeit befindet, wird es zur Durchführung einer Kammerverhandlung kommen. Je nach Länge der Kündigungsfrist einerseits, Zügigkeit der Terminierung der jeweiligen Kammer andererseits, wird zum Zeitpunkt der Kammerverhandlung bereits ein gewisses Annahmeverzugslohnrisiko aufgelaufen sein. Häufig erkennt derjenige Arbeitgeber, der in der Güteverhandlung noch nichts von einem Risiko wissen wollte, nun in der gerichtlichen Erörterung erstens die der Kündigung innewohnenden Schwächen und zweitens den bedeutenden Umfang der Zahlungsverpflichtungen, die im Falle einer Lohnnachzahlung auf ihn zukommen können. Regelmäßig ist es deshalb möglich, nun akzeptable Abfindungsvergleiche zu schließen.

 

Rz. 99

Ist die Bereitschaft des Arbeitgebers, eine Abfindung zu zahlen, zwar vorhanden, entspricht jedoch auch die nach längerem Verhandeln angebotene Abfindungssumme nicht den gemeinsam mit dem Arbeitnehmer festgelegten Zielvorstellungen, so ist zu entscheiden, ob der Abfindungsvergleich dennoch abgeschlossen oder eine streitige Entscheidung angestrebt wird. Aufgrund der Tatsache, dass umfänglich vorgetragen wurde, und anhand der richterlichen Hinweise kann der Klägervertreter nun meist sachgerecht einschätzen, wie hoch die Erfolgsaussichten der Klage sind.

 

Rz. 100

Für den Fall, dass das Gericht und auch der Anwalt selbst die Aussichten der Klage als gering einschätzen, ist ein unter den Vorstellungen des Arbeitnehmers liegender Vergleichsschluss anzuraten. Bereits im Falle passabler Erfolgsaussichten der Klage kann dem von längerer Arbeitslosigkeit bedrohten Mandanten oft zur Herbeiführung einer streitigen Entscheidung geraten werden: In der überwiegenden Zahl der Fälle geht die unterliegende Partei in die Berufung; durch den in der Berufungsinstanz sich ergebenden, oft erheblichen, Zeitablauf steigt bei anhaltender Arbeitslosigkeit des Arbeitnehmers das Annahmeverzugslohnrisiko des Arbeitgebers beträchtlich, so dass bei einem vor dem LAG abgeschlossenen Abfindungsvergleich oft auskömmliche Abfindungen erzielt werden können. Etwas anderes gilt naturgemäß dann, wenn der Arbeitnehmer nicht mehr länger auf die Abfindungszahlung warten möchte oder wenn z.B. zu erwarten ist, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nach erstinstanzlichem Unterliegen eine befristete Weiterbeschäftigung anbieten wird, der Arbeitnehmer aber auf keinen Fall an seinen alten Arbeitsplatz zurückkehren möchte.

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