I. Typischer Sachverhalt

 

Rz. 29

A erleidet auf dem Weg von der Arbeit nach Hause einen Unfall. Er verließ nach seiner betrieblichen Tätigkeit um kurz nach 16:00 Uhr seine Arbeitsstätte, kehrte ca. eine Stunde später noch einmal in den Betrieb zurück, um seinen dort zurückgelassenen Geldbeutel aus seinem Spind zu holen. Dabei traf er zwei Kollegen, mit denen er betriebliche Probleme erörterte. Danach verließ A erneut den Betrieb und verunglückte mit seinem Motorrad kurz vor seinem Wohnort auf der direkten Strecke zwischen Betrieb und Wohnort. Die BG lehnt die Anerkennung eines Wegeunfalls gem. § 8 SGB VII ab. A habe den zunächst angetretenen Heimweg unterbrochen und aus eigenwirtschaftlichen, nicht mit seiner betrieblichen Tätigkeit in einem ursächlichen Zusammenhang stehenden Gründen erneut seine Arbeitsstätte aufgesucht. Dagegen richtet sich Klage, Berufung und Revision.[70]

[70] Vgl. zu diesem Fall im Einzelnen BSG v. 14.11.2013 – B 2 U 27/12 R.

II. Rechtliche Grundlagen

 

Rz. 30

Voraussetzung für den Versicherungsschutz ist der Nachweis der sog. haftungsbegründenden Kausalität i.S.d. § 8 Abs. 1 SGB VII. In den Fällen der "unechten Unfallversicherung" kommt es entscheidend auf die Auslegung der den Versicherungsschutz regelnden Vorschriften des § 2 Abs. 1 Nr. 2 bis 17 SGB VII an. Der gem. § 8 Abs. 2 SGB VII versicherte Heimweg beginnt regelmäßig mit dem Durchschreiten der Haustür.[71]

Die Revision muss vom LSG zugelassen sein, § 160 SGG. Andernfalls kommt nur eine Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 160a SGG in Betracht.

Frist zur Einlegung der Revision beim BSG: ein Monat, § 164 SGG. Die Revision muss das angefochtene Urteil bezeichnen und mit einer Unterschrift versehen sein. Anwaltszwang, § 166 SGG. Ein vollständiger Antrag auf Prozesskostenhilfe wahrt die Frist nicht. Sofern innerhalb der Frist der PKH-Antrag nebst den Formularen über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse beim BSG vorliegt, wird nach Entscheidung über diesen Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt, auch wenn PKH abgelehnt wird, §§ 73a, 67 Abs. 2 SGG. Frist: ein Monat. Für den PKH-Antrag ist keine anwaltliche Vertretung erforderlich. Im Revisionsverfahren sind Klageänderungen unzulässig, § 168 SGG. Es handelt sich um eine Anfechtungs- und Feststellungsklage, die nach ständiger Rechtsprechung des BSG zulässig ist.[72]

Das BSG ist gem. § 163 SGG an die vom LSG im Urteil getroffenen Feststellungen gebunden. Die Revisionsparteien können allenfalls geltend machen, das LSG habe den Sachverhalt unter Verstoß gegen zwingende Verfahrensregelungen, z.B. §§ 103, 106, 128 SGG, fehlerhaft festgestellt. Das muss ausdrücklich gerügt werden. Zum Umfang des Sachvortrags in der Revisionsbegründung haben sich die Senate des BSG zu einer einheitlichen Auffassung verabredet.[73] Erforderlich sind danach nicht nur Rechtsausführungen, sondern, abhängig vom Umfang der tatsächlichen Feststellungen im Urteil des LSG, auch Ausführungen zu den tatsächlichen Feststellungen.

[71] Zum Wegeunfall infolge Alkoholgenuss: BSG v. 13.11.2012 – B 2 U 19/11 R; zum (verneinten) Versicherungsschutz bei Unfall auf dem Weg zur Nahrungsaufnahme im Homeoffice: BSG v. 5.7.2016 – B 2 U 5/15 R.

III. Muster: Revisionsschrift

 

Rz. 31

Der Text stammt weitgehend aus BSG v. 14.11.2013 – B 2 U 27/12 R.

Muster 37.8: Revisionsschrift

 

Muster 37.8: Revisionsschrift

An das Bundessozialgericht

_____

In dem Revisionsverfahren

_____

gegen

BG

Az. _____

beantragen wir,

das Urteil das Landessozialgerichts vom _____ und das Urteil des Sozialgerichts vom _____ sowie den Bescheid der Beklagten vom _____ in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom _____ aufzuheben und festzustellen, dass das Ereignis vom _____ ein Arbeitsunfall war.

Begründung:

Gerügt wird eine Verletzung des § 8 Abs. 2 SGB VII. Der Kläger hat als Beschäftigter den mit seiner Tätigkeit zusammenhängenden Weg von dem Ort der Tätigkeit nach Hause zurückgelegt und dabei einen Unfall erlitten. Dabei befand sich der Kläger auf dem versicherten Weg i.S.v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII. Er hat die Heimfahrt am Ort der versicherten Tätigkeit begonnen und mit dem alleinigen Ziel angetreten, auf direktem Weg zu seiner Wohnung zu gelangen. Unmittelbar vor Antritt hat er eine versicherte Tätigkeit verrichtet, indem er mit Kollegen zu seinem Aufgabengebiet gehörende Angelegenheiten erörterte. Sein Handeln war damit darauf gerichtet, eine eigene, objektiv bestehende und aus der Beschäftigung herrührende Pflicht zu erfüllen. Die Grundsätze der gemischten Tätigkeit bzw. der Verrichtung mit gemischter oder gespaltener Handlungstendenz finden schon deshalb keine Anwendung, weil das Gespräch des Klägers mit seinen Kollegen in nacheinander liegende Anteile zerlegt werden kann.

Ein versicherter Weg nach und von dem Ort einer versicherten Tätigkeit i.S.v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII kann mehrmals täglich zurückgelegt werden, wenn dessen Voraussetzungen jeweils erfüllt sind (z.B. BSG v. 4.9.2007 – B 2 U 24/06 R). Se...

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