I. Allgemeines

 

Rz. 178

Die darin bestehende Regelungslücke, dass ein Drogenfahrer jedenfalls solange keine Konsequenzen zu befürchten hatte, als ihm nicht rauschmittelbedingte Fahruntüchtigkeit nachgewiesen werden konnte, hat der Gesetzgeber ab dem 1.8.1998 mit der Einführung eines Ordnungswidrigkeitentatbestandes (BGBl I, 810) geschlossen. Jetzt begeht derjenige eine Ordnungswidrigkeit, der unter der Wirkung eines der in der Anlage zum Gesetz, die gleichzeitig auch analytische Grenzwerte nennt, genannten berauschenden Mittels am Straßenverkehr teilnimmt.

 

Cannabis als Medikament

Bei bestimmungsgemäßer Einnahme eines für den konkreten Krankheitsfall verordneten Mittels ist der Tatbestand nicht erfüllt (§ 24a Abs. 2 S. 3 StVG). Zu Einzelheiten s. Rdn 170.

 

Rz. 179

In die im Anhang zu dem Gesetz genannte Liste, die der Bundesminister für Verkehr nur mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung ändern oder ergänzen kann, sind nach Ergänzung vom 6.6.2007 (BGBl I, S. 1045) folgende berauschende Mittel und Substanzen aufgeführt, wobei über die Auflistung hinaus auch der jeweilige von der Grenzwertkommission mit Beschl. v. 22.5.2007 (BA 2007, 311) festgelegte analytische Grenzwert genannt wird (siehe auch VKbl 2013, 1030).

 
Berauschende Mittel Substanzen Analytischer Grenzwert
Cannabis Tetrahydrocannabinol (THC) 1 ng/ml
Heroin Morphin 10 ng/ml
Morphin Morphin 10 ng/ml
Cocain Cocain 10 ng/ml
Cocain Benzoylecgonin 75 ng/ml
Amphetam Amphetamin 25 ng/ml
Designer-Amphetamin Methylendioxyamphetamin (MDA) 25 ng/ml
Designer-Amphetamin Methylendioxyethylamphetamin (MDE) 25 ng/ml
Designer-Amphetamin Methylendioxymethamphetamin (MDMA) 25 ng/ml
Metamphetamin Metamphetamin 25 ng/ml
 

Rz. 180

 

Achtung: Stoffwechselprodukt

Der Tatbestand ist jedoch nur verwirklicht, wenn eines der vorgenannten Mittel zum Zeitpunkt des Fahrens gewirkt hat. Deshalb kommt eine Verurteilung nach § 24a Abs. 2 StVG nicht in Betracht, wenn sich das im Blut befindliche Methamphetamin möglicherweise erst nach Fahrtende im Amphetamin verstoffwechselt hat (BayObLG DAR 2004, 457; Thüringer OLG VRS 108, 284).

 

Rz. 181

Mit der Formulierung "Eine solche Wirkung liegt vor, wenn eine der in dieser Anlage genannten Substanzen im Blut nachgewiesen wird" stellt das Gesetz gleichzeitig klar, dass zur Annahme der Wirkung die Feststellung einer konkreten Beeinträchtigung der Fahrsicherheit nicht erforderlich ist (OLG Bamberg zfs 2007, 287; OLG Saarbrücken NZV 2007, 320). Im Ergebnis handelte es sich also um eine 0,0 ‰-Grenze für Drogen.

II. Achtung: Verfassungsrechtliche Einschränkung

 

Rz. 182

Nach dem damaligen Stand der Wissenschaft musste der Gesetzgeber von der verkehrsrelevanten Wirkung jeder, auch noch so geringen, im Blut nachweisbaren Menge Drogen ausgehen, denn damals stimmten noch Wirkungs- und Nachweisdauer überein.

Mit dem technischen Fortschritt ist in der Zwischenzeit die Verkehrsmedizin jedoch in der Lage, bei der Blutuntersuchung einen positiven Drogenbefund selbst dann noch festzustellen, wenn der Konsum schon längere Zeit zurückliegt und deshalb von der Möglichkeit der Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit nicht mehr ausgegangen werden kann (bildlich gesprochen ist die Wissenschaft heute in der Lage, ein Stück Zucker im Bodensee nachzuweisen).

 

Rz. 183

Heute kann deshalb vor allem bei geringen Mengen nicht mehr von der Identität der Nachweis- mit der Wirkungszeit ausgegangen werden, d.h. je nach Ausstattung des Untersuchungslabors können geringe Mengen Drogen im Blut noch zu einem Zeitpunkt festgestellt werden, in dem schon längst keine verkehrsrelevante Wirkung mehr besteht, weshalb eine Verurteilung gegen den verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstieße. Das Verfassungsgericht lässt demgemäß beim Nachweis lediglich geringer Mengen Drogen (es bezeichnet bei Hasch bis 1 ng/ml als geringe Menge) eine Verurteilung nicht mehr zu (BVerfG DAR 2005, 70; zfs 2005, 149). Das gilt auch dann, wenn angeblich rauschmittelbedingte Ausfallerscheinungen vorgelegen haben (OLG Jena NZV 2014, 138).

 

Rz. 184

 

Achtung: Kein zusätzlicher Sicherheitsabschlag

Den in der Wissenschaft geführten heftigen Streit darüber, ob nicht zum Ausgleich von Messungenauigkeiten ein Sicherheitsabschlag von bis zu 0,2 ng/ml gemacht werden müsse, hat das Bundesverwaltungsgericht mit seiner Entscheidung vom 23.10.2014 (BVerwG DAR 2014, 711) dahingehend entschieden, dass von dem vom Gerät gelieferten Messergebnis keinerlei Abschlag mehr zu machen ist.

 

Rz. 185

Sonstige verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Regelung sieht das BVerfG nicht und widerspricht insbesondere dem wiederholt vorgebrachten Argument, die Regelung verstoße deshalb gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG, weil der Gesetzgeber das Fahren unter Alkohol an einen qualifizierten Grenzwert gebunden habe, das Fahren unter Drogen aber an eine Null-Wert-Grenze. Nach Auffassung des BVerfG ist diese Regelung alleine deshalb schon nicht willkürlich, weil es derzeit noch nicht möglich sei, die Drogenwirkungsbeziehung zu quantifizieren, andererseits Fahrten unter Drogen aber ...

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