Rz. 115

Wie extrem sich das Gebot, mit dem jeweils für den Täter günstigsten Wert zurückzurechnen, auswirken kann, soll das nachfolgende Beispiel zeigen:

 

Rz. 116

 

Beispiel

Einem Pkw-Fahrer wird sieben Stunden nach einem von ihm verursachten leichten Parkplatzunfall eine Blutprobe entnommen. Sie ergibt 0,5 ‰. Der Beschuldigte macht keine Angaben zur Sache.

Vorwurf "Alkoholfahrt"

Rückrechnung, soweit ein Verstoß gegen §§ 315c bzw. 316 StGB zur Last gelegt wird:

Zugunsten des Beschuldigten bleiben die beiden ersten Stunden rückrechnungsfrei, in den verbleibenden fünf Stunden muss mit 0,1 ‰ pro Stunde als Abbau rückgerechnet werden.

Ergebnis: 1,0 ‰, so dass – wenn kein alkoholbedingter Fahrfehler nachweisbar ist – lediglich von einer OWi gem. § 24a StVG ausgegangen werden kann.

Vorwurf "Unfallflucht"

Rückrechnung, soweit der Vorwurf der Unfallflucht gem. § 142 StGB erhoben wird:

Je höher der Tatzeitalkoholwert war, desto zweifelhafter ist, ob der Fahrer den Anstoß bemerkt hat. Zugunsten des Täters muss davon ausgegangen werden, dass im Zeitpunkt des Vorfalles die Resorptionsphase abgeschlossen war. Es darf deshalb keine rückrechnungsfreie Zeit unterstellt werden.

Für die dann zugrunde zu legenden sieben Stunden wird mit einem stündlichen Abbau von 0,2 ‰ zuzüglich einem einmaligen Sicherheitsabschlag von 0,2 ‰ zurückgerechnet. Dies ergibt einen Tatzeitalkoholwert von 2,1 ‰, so dass fraglich ist, ob bei einem solchen Alkoholwert der Täter den leichten Anstoß wahrgenommen hat.

"in dubio pro reo"

Der Grundsatz "in dubio pro reo" führt zu einem zugegebenermaßen scheinbar schizophrenen, aber doch konsequenten Ergebnis: Für den identischen Tatzeitpunkt ist – je nach dem erhobenen Vorwurf – ein Wert von 1,0 ‰ und gleichzeitig ein solcher von 2,1 ‰ zu unterstellen.

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