Rz. 76

Häufiger wird in der Praxis nach der klassischen "Basarmethode" verhandelt. Beide Parteien überlegen sich meist im Vorfeld der Güteverhandlung, was ein vernünftiger Preis für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses sein könnte. Dieser Preis ergibt sich aus einer Vielzahl von Faktoren, bis hin zur Faustformel zum halben Bruttomonatsgehalt pro Jahr der Betriebszugehörigkeit. Diese Faustformel findet so in den meisten Bundesländern Anwendung. In manchen Regionen bestehen aber andere Üblichkeiten, so etwa in weiten Teilen Hessens, wo ab dem 40. Lebensjahr ein ¾ Bruttomonatsgehalt und ab dem 50. Lebensjahr ein ganzes Bruttomonatsgehalt in Ansatz gebracht werden, in Franken wird teils lediglich ⅓ Bruttomonatsgehalt pro Jahr der Betriebszugehörigkeit vorgeschlagen, in den neuen Bundesländern setzen die Arbeitsgerichte öfters lediglich ¼ Bruttomonatsgehalt an.

 

Rz. 77

Die Vielzahl der außerrechtlichen Faktoren, die eine Rolle spielen und die häufig nicht messbar sind (Sympathie, Antipathie, Rachebedürfnis, Gesichtsverlust, Vorurteile usw.) führt dazu, dass diese Preisbildung häufig irrational verläuft. In diesen Fällen führt die "Basarmethode" selten zum Erfolg, da die Preisvorstellungen der interagierenden Parteien zu weit auseinander liegen. Ein weiterer Nachteil der "Basarmethode" besteht darin, dass die Verhandlungen gerne als Kampf missverstanden werden. Dies lässt sich schon am Verhalten des westlich geprägten Touristen auf einem orientalischen Basar sehen. Der Tourist denkt zu Unrecht, es ginge um das Gewinnen und übersieht, dass es letztlich nur um eine faire Preisbildung geht. Genauso verhalten sich Parteien vor dem Arbeitsgericht, wenn sie meinen, es ginge beim Finden eines Vergleichs darum, wer "Recht behält". Beschäftigt man sich mit dem Verhandeln im "Basarstil" etwas intensiver, so wird man im Wege der teilnehmenden Beobachtung feststellen, dass ein Schlüssel zum Erfolg darin liegt, die Gegenseite ernst zu nehmen, aber gleichzeitig den Druck, den das Gericht ausübt, auf die Gegenseite zu verlagern. Je nach Gericht und Sachverhalt gelingt dies, indem man es vermeidet, das erste Angebot zu geben, indem man auf Nebenkriegsschauplätzen Zugeständnisse macht usw. Wichtig ist aber vor allem, eine Atmosphäre zu schaffen, in der sich das Gegenüber gesehen und wertgeschätzt fühlt, was die Vergleichsfindung ungemein erleichtert.

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