Rz. 29

Die anwaltliche Tätigkeit fußt für gewöhnlich auf einem zwischen dem Anwalt und der Mandantschaft geschlossenen Dienstvertrag mit Geschäftsbesorgungscharakter, §§ 611, 627 Abs. 1, 675 BGB.[12] Dieser Anwaltsvertrag verpflichtet den Anwalt, die juristischen Dienstleistungen im Einzelfall zu erbringen, andererseits ist der Mandant verpflichtet, diese Leistungen zu bezahlen. Nach § 3 Abs. 1 BRAO ist der Rechtsanwalt unabhängiger Berater und Vertreter des Mandanten in allen Rechtsangelegenheiten. Der Rechtsanwalt übt einen freien Beruf aus (§ 2 Abs. 1 BRAO). Dieses gesetzliche Gebot ist essenziell, um dem Anwalt die notwendige Distanz zur eigenen Partei zu bewahren. Gerade in Kündigungsschutzverfahren werden die Mandanten häufig von irrationalen Erwägungen, wie Rache etc. geleitet. Der Mandant muss umso mehr durch einen auf Distanz bedachten Anwalt beraten werden, der in der Lage ist, eigenverantwortlich selbstständige Entscheidungen zum Wohle des Mandanten zu treffen.

 

Rz. 30

Der Anwalt unterliegt einer Verschwiegenheitspflicht, die nach § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB strafbewehrt ist. Diese Verschwiegenheitspflicht gilt auch über das Mandatsende hinaus.

 

Rz. 31

Wesentlich für ein erfolgreiches Bearbeiten kündigungsrechtlicher Mandate ist herauszufinden, welche Interessen der Mandant eigentlich verfolgt, häufig ist sich die Partei hierüber selbst nicht im Klaren. Daher ist es angezeigt, so früh wie möglich das Mandantenbegehren zu erfragen. Bereits das Erstgespräch befasst sich mit dieser Zielsetzung und ist mitunter von vielfältigen taktischen Zweckmäßigkeitserwägungen geprägt.

 

Rz. 32

Aus Arbeitnehmersicht kann es im Tatsächlichen um den Erhalt des Arbeitsplatzes gehen, so wie das Konzept des Kündigungsschutzgesetzes dies auch vorsieht. Weit öfter ist das Interesse des Arbeitnehmers aber der Erhalt einer möglichst hohen Abfindung, manchmal geht es auch um eher irrationale Bedürfnisse wie Rache nehmen oder "Recht bekommen". Diese Interessenlage ändert sich mitunter im Laufe des Verfahrens.

 

Rz. 33

Wenn die Arbeitgeberseite einen Auflösungsantrag stellt oder seitenlange Ausführungen über die Schlechtleistungen und die Inkompetenz des Arbeitnehmers macht, so führt dies in der Praxis meist dazu, dass der Arbeitnehmer im Laufe des Verfahrens seine Situation überdenkt und der Rückkehr an den Arbeitsplatz doch die Abfindung vorzieht. Genauso mag dieser Fall eintreten, wenn der Arbeitnehmer zwischenzeitlich ein neues Arbeitsverhältnis begründen konnte. Aus Sicht des Arbeitgebers geht es im Regelfall schlicht um den Abbau eines Arbeitsplatzes oder um das "Loswerden" eines unliebsamen Arbeitnehmers.

 

Rz. 34

Häufig haben Arbeitnehmer die irrige Vorstellung, es existiere ein "Anspruch auf Abfindung". Dieser Irrtum wird nicht zuletzt durch die Boulevardpresse geschürt. Auch § 1a KSchG ändert an der grundsätzlichen Situation nichts, dass der Kündigungsprozess rechtlich nicht die Zielsetzung hat, einen Abfindungsanspruch zu vermitteln. Damit der Mandant den Gang des Verfahrens und die Strategie seines Bevollmächtigten auch nur einigermaßen nachvollziehen kann, ist es essentiell, diesen Irrtum aufzulösen. Der Mandant muss frühzeitig ein Verständnis dafür entwickeln, dass es in der Praxis zumeist darum geht, dem Arbeitgeber vorzuspiegeln, dass der Arbeitnehmer tatsächlich um den Bestand des Arbeitsverhältnisses kämpft, da nur dann der Arbeitgeber zum einen mit den wirtschaftlichen Folgen des Annahmeverzugs und zum anderen mit dem tatsächlichen Risiko der Weiterbeschäftigung umgehen muss. Auch bei der Vertretung von Arbeitgebern befindet man sich in einem ähnlichen Zielkonflikt. Signalisiert der Arbeitgeber zu früh, dass er bereit ist, nahezu jeden Preis für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu zahlen, so wird er schwerlich einen vernünftigen Vergleich erzielen können. Auch der Arbeitgeber muss bei dem Arbeitnehmer den Irrglauben hervorrufen oder zumindest eine gewisse Zeit am Leben erhalten, dass er grundsätzlich auch bereit ist, die ausgesprochene Kündigung tatsächlich auf Ihre Wirksamkeit überprüfen zu lassen.

 

Rz. 35

Auch hier verbietet sich naturgemäß jede Art von Patentrezept. Verfolgt der Arbeitnehmer tatsächlich die Weiterbeschäftigung, so mag für den Arbeitgeber das genau entgegengesetzte Verhalten das einzig probate sein: Der Arbeitgeber muss dann im Einzelfall tatsächlich dem Arbeitnehmer in aller Deutlichkeit offenlegen, dass eine Weiterbeschäftigung unter keinen Umständen in Betracht kommt und dass man sämtliche rechtliche Mittel nutzen wird, um einer Weiterbeschäftigung zu entgehen.

 

Rz. 36

Arbeitgeber neigen dazu, den Arbeitsrechtsanwalt in Kündigungsschutzangelegenheiten erst zu konsultieren, wenn die Kündigung bereits ausgesprochen worden ist, man könnte auch formulieren: "wenn das Kind bereits im Brunnen liegt". Hat man die Gelegenheit, im Vorfeld vor Kündigungen beratend tätig zu sein, so lassen sich einige Kardinalfehler vermeiden.

 

Rz. 37

 

Praxishinweis

In der Praxis wird man eher eine Chance für einen vernünftigen ...

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