Rz. 487

Die im Rahmen des § 119 SGB X erfolgte, tatbestandlich auf den Ersatz von Beiträgen zur Rentenversicherung ausgerichtete Normierung des Beitragsregresses erschließt sich in vollem Umfange erst bei Heranziehung der einschlägigen rentenrechtlichen Bestimmungen. Diese Bestimmung erfasst ausweislich des Gesetzeswortlauts nur den Anspruch des Versicherten auf Ersatz von Pflichtbeiträgen zur Rentenversicherung (§ 119 Abs. 3 S. 1 SGB X). Damit soll der Nachteil ausgeglichen werden, den der Versicherte erleidet, weil er infolge des Schadensereignisses nicht mehr erwerbsfähig sein kann und daher für ihn keine Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung mehr abgeführt werden.[589]

 

Rz. 488

Nach §§ 3 S. 1 Nr. 3, 166 Abs. 1 Nr. 2, 176 Abs. 1 SGB VI besteht bei vom Sozialversicherungsträger an den Verletzten gezahlten Krankengeld, Verletztengeld usw. Versicherungspflicht, wenn der Verletzte im letzten Jahr vor Beginn der Leistung versicherungspflichtig war. Die hierauf gezahlten Beiträge sind Pflichtbeiträge.[590]

 

Rz. 489

Die Änderung der Rechtslage hat folgende Konsequenzen:

Der Beitragsregress aus der Differenz zwischen der vom Sozialversicherungsträger erbrachten Lohnersatzleistung und dem entgangenen Bruttoeinkommen steht dem Rentenversicherungsträger nach § 119 Abs. 1 SGB X zu. Der Umfang des Regresses ist der gleiche wie bis zum 31.12.1983 (Rdn 240 f.).
Die bei Zahlung von Kranken-, Übergangs-, Verletzten- und Arbeitslosengeld sowie Arbeitslosenhilfe entrichteten Pflichtbeiträge sind vom Schädiger zu erstatten, und zwar an den leistenden Sozialversicherungsträger bzw. an die Bundesagentur für Arbeit (§ 116 Abs. 1 S. 2, Abs. 10 SGB X) im Rahmen der §§ 249 ff., 843 f. BGB. Insoweit scheidet ein Regress nach § 119 Abs. 1 SGB X aus.
Die Berufung auf eine "unfallfeste Position" gegenüber dem nach § 119 Abs. 1 SGB X vorgehenden Rentenversicherungsträger ist nicht mehr möglich (Rdn 250, 113). Denn nach § 62 SGB VI wird durch die Berücksichtigung rentenrechtlicher Zeiten (z.B. "Halbbelegung" – § 1259 Abs. 3 RVO a.F.) ein Anspruch auf Schadensersatz wegen verminderter Erwerbsfähigkeit weder ausgeschlossen noch gemindert. Mit dieser Vorschrift wird auch dann, wenn sich die Rentenanwartschaft durch ausbleibende Beitragszahlungen nicht verschlechtert, ein Beitragsschaden fingiert. Diese Auslegung hat der Bundesgerichtshof zur früheren Rechtslage vertreten.[591] In einer späteren Entscheidung hat der Bundesgerichtshof dies ausdrücklich bestätigt und zusätzlich festgestellt, dass § 62 SGB VI auf Schadensereignisse anzuwenden ist, die vor dem Inkrafttreten der Vorschrift (1.1.1992) eingetreten sind.[592]
 

Rz. 490

Die sonstigen Voraussetzungen für den Beitragsanspruch nach § 119 SGB X n.F. bleiben daneben unberührt. Insbesondere

muss im Augenblick des Unfalls Versicherungspflicht bestehen oder nachträglich Versicherungspflicht eintreten (§ 119 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 SGB X);
muss unfallbedingt ein Beitragsausfall eingetreten sein (z.B. nicht bei Lohn- und Gehaltsfortzahlung und auch nicht in Höhe der Beiträge aus der Lohnersatzleistung; vgl. § 119 Abs. 1 SGB X: "Soweit") und
müssen die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch (Verdienstausfall = Fortkommensschaden, Minderverdienst) vorliegen.
 

Rz. 491

Ein Anspruch auf Ersatz von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung kann auch bestehen, wenn ein zum Unfallzeitpunkt rentenversicherungspflichtiger Geschädigter, der seinen früheren Beruf nicht mehr ausüben kann, eine Tätigkeit als Beamter aufnimmt.[593]

 

Rz. 492

Für die Ermittlung des Verdienstausfalls ist die modifizierte Bruttolohnmethode zugrunde zu legen. Danach können die steuerrechtlichen Vor- und Nachteile des Geschädigten, der zwar einerseits aufgrund seiner unfallbedingten Einkommensverluste ein geringeres zu versteuerndes Einkommen und damit eine geringere Steuerlast hat, andererseits aber auch die Schadensersatzleistungen für Einkommensverluste als Einkommen versteuern muss, gegeneinander aufgehoben werden, sodass diese Beträge nicht im Einzelnen errechnet werden müssen.[594]

 

Rz. 493

Der Rentenversicherungsträger verbucht die vom Schädiger gezahlten Beiträge – wie früher auch – als Pflichtbeiträge. Ebenso ist hierbei das Günstigkeitsprinzip zu beachten (§ 119 Abs. 3 S. 2 SGB X und Rdn 466).

 

Rz. 494

§ 119 Abs. 1 S. 2 SGB X i.d.F. des RRG 1992, wonach der Übergang des Anspruchs auf Ersatz von Beiträgen nach § 116 SGB X dem Übergang nach dieser Vorschrift vorging, hatte im Zusammenhang mit der gleichzeitigen Ergänzung des § 116 Abs. 1 um einen 2. Satz, wonach zu den Leistungen auch die vom Sozialversicherungsträger gezahlten Sozialversicherungsbeiträge zu rechnen waren, zu einiger Verwirrung geführt.[595] Auch die amtliche Begründung war unergiebig.[596]

 

Rz. 495

Die Neuregelung nach § 119 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 Nr. 2 SGB X stellt klar, dass zwischen Rentenversicherungsträger und Träger der Lohnersatzleistung im Hinblick auf § 116 SGB X weder Gesamtgläubigerschaft noch Anspruchskonkurrenz besteht. Der Rentenversicherun...

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