Rz. 211

Strittig ist, wie abzurechnen ist, wenn der Anwalt in einem selbstständigen Einziehungsverfahren (§ 27 OWiG) oder einem selbstständigen Verfallverfahren nach § 29a OWiG beauftragt wird. Nach Auffassung des OLG Karlsruhe[69] soll in diesem Fall die zusätzliche Verfahrensgebühr nach Nr. 5116 VV isoliert entstehen. Die anderen Gebühren sollen nicht anfallen, da der Anwalt nicht auch mit der Verteidigung in der Ordnungswidrigkeit beauftragt ist. Diese Auffassung ist jedoch unzutreffend. Nach Vorbem. 5 Abs. 1 erhält der Vertreter eines Einziehungsbeteiligten die gleichen Gebühren wie ein Verteidiger. Zudem enthält Nr. 5116 VV eine "zusätzliche" Verfahrensgebühr, sodass die Gebühr schon begrifflich neben anderen Gebühren entstehen muss. Abgesehen davon dürfte der Anwalt nach Auffassung des OLG Karlsruhe gar keine Vergütung erhalten, wenn der Wert des Einziehungsgegenstands unter 30,00 EUR liegt. Zutreffend ist es daher, dass der Anwalt, der nur mit der Einziehung oder dieser gleichstehenden Rechtsfolgen befasst ist, alle Gebühren der Nrn. 5100 ff. VV erhält.[70]

 

Rz. 212

Der Gebührenrahmen richtet sich im Verfahren vor der Veraltungsbehörde und im erstinstanzlichen gerichtlichen Verfahren nach der Höhe des Bußgeldes, mit dem die zugrunde liegende Tat bedroht ist. Bei Bußgeldrahmen gilt das mittlere Bußgeld (Vorbem. 5.1 Abs. 2 VV).

 

Beispiel 113: Vertretung im selbstständigen Verfallsverfahren vor der Bußgeldbehörde

Die Behörde leitet gegen den Betroffenen ein selbstständiges Verfallverfahren nach § 29a OWiG ein. Der Betroffene beauftragt einen Verteidiger, den Verfall (Wert: 5.000,00 EUR) abzuwenden. Die zugrunde liegende Ordnungswidrigkeit ist mit 1.000,00 EUR bedroht.

Der Anwalt erhält eine Grundgebühr und eine Verfahrensgebühr. Da der zugrunde liegende Bußgeldtatbestand mit 1.000,00 EUR bedroht ist, gilt der Gebührenrahmen von 60,00 EUR bis 5.000,00 EUR.

 
1. Grundgebühr, Nr. 5100 VV   110,00 EUR
2. Verfahrensgebühr, Nr. 5103 VV   176,00 EUR
3. 1,0-Verfahrensgebühr, Nr. 5116 VV   334,00 EUR
  (Wert: 5.000,00 EUR)    
4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 640,00 EUR  
5. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   121,60 EUR
Gesamt   761,60 EUR
 

Rz. 213

Wird der Anwalt auch im erstinstanzlichen gerichtlichen Verfahren tätig, erhält auch er die zusätzliche Verfahrensgebühr nicht erneut (Anm. Abs. 3 S. 1 zu Nr. 5116 VV).

 

Beispiel 114: Vertretung im selbstständigen Einziehungsverfahren vor der Bußgeldbehörde und im nachfolgenden gerichtlichen Verfahren

Die Behörde hatte gegen den Drittbetroffenen nach § 27 OWiG einen Einziehungsbescheid über Gegenstände im Wert von 5.000,00 EUR erlassen. Dagegen legt der Verteidiger Einspruch ein, über den in der Hauptverhandlung entschieden wird. Die zugrunde liegende Ordnungswidrigkeit ist mit 1.000,00 EUR bedroht.

Im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde ist abzurechnen wie im vorangegangenen Beispiel 113. Im gerichtlichen Verfahren erhält der Anwalt keine zusätzliche Verfahrensgebühr nach Nr. 5116 VV, da diese Gebühr nach Anm. Abs. 3 S. 1 zu Nr. 5116 VV im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde und im gerichtlichen Verfahren nur einmal anfallen kann.

 
I. Verfahren vor der Verwaltungsbehörde
  Wie Beispiel 113.
II. Verfahren vor dem Amtsgericht
1. Verfahrensgebühr, Nr. 5109 VV   176,00 EUR
2. Terminsgebühr, Nr. 5110 VV   280,50 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 476,50 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   90,54 EUR
Gesamt   567,04 EUR
 

Rz. 214

Wird der Anwalt erstmals im erstinstanzlichen gerichtlichen Verfahren tätig, so kann er hier die zusätzliche Verfahrensgebühr sowie eine Grundgebühr verdienen.

 

Beispiel 115: Vertretung im selbstständigen Verfallsverfahren, erstmalige Vertretung im gerichtlichen Verfahren

Die Behörde hatte gegen den Betroffenen nach § 29a OWiG einen Verfallsbescheid (Wert: 5.000,00 EUR) erlassen. Dagegen legt der Betroffene Einspruch ein und beauftragt nach Eingang der Akten bei Gericht einen Verteidiger, der an der Hauptverhandlung teilnimmt. Die zugrunde liegende Ordnungswidrigkeit ist mit 1.000,00 EUR bedroht.

Jetzt entsteht im erstinstanzlichen gerichtlichen Verfahren auch eine zusätzliche Verfahrensgebühr nach Nr. 5116 VV.

 
1. Grundgebühr, Nr. 5100 VV   110,00 EUR
2. Verfahrensgebühr, Nr. 5109 VV   176,00 EUR
3. Terminsgebühr, Nr. 5110 VV   280,50 EUR
4. Zusätzliche Verfahrensgebühr, Nr. 5116 VV, 334,00 EUR
  1,0 aus 5.000,00 EUR    
5. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 920,50 EUR  
6. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   174,90 EUR
Gesamt   1.095,40 EUR
 

Rz. 215

Möglich ist auch eine Zusätzliche Gebühr nach Nr. 5115 VV, wenn der Einspruch zurückgenommen wird, die Behörde nach Einspruch den Ursprungsbescheid aufhebt und einen neuen Bescheid erlässt, gegen den kein Einspruch eingelegt wird oder das Gericht im schriftlichen Verfahren nach § 72 OWiG entscheidet.

 

Beispiel 116: Vertretung im selbstständigen Einziehungsverfahren vor der Bußgeldbehörde und im nachfolgenden gerichtlichen V...

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