Rz. 174

Reisen werden häufig nicht direkt vom Leistungserbringer oder Reiseveranstalter an den Reisenden verkauft, sondern über einen Reisevermittler. Reisevermittler stehen daher zwischen dem Reisenden und dem Reiseveranstalter oder Leistungsträger. Sie leiten die Vertragserklärung des Reisenden an den Reiseveranstalter weiter und sind gleichzeitig für den Veranstalter tätig. Sie werden für den Reiseveranstalter aufgrund (typischerweise) eines Handelsvertretervertrags tätig und sind im Rahmen ihrer Aufgaben für den Reiseveranstalter auch Erfüllungsgehilfe, § 278 BGB. Letztlich handelt also der Reisevermittler einerseits in Erfüllung eines Vermittlungsvertrags mit seinem Kunden, andererseits in Erfüllung eines Handelsvertretervertrags mit dem Reiseveranstalter.

I. Typischer Sachverhalt

 

Rz. 175

Der Reisende R lässt sich in einem Reisebüro hinsichtlich der Auswahl verschiedener Reisemöglichkeiten für eine Reise in die Vereinigten Staaten beraten.

Variante 1: Trotz vielerlei Bemühungen des Reisevermittlers kann sich R nicht für ein konkretes Übernachtungsangebot oder eine Pauschalreise entscheiden. Er bucht aber gleichwohl einen Flug mit einer amerikanischen Fluggesellschaft bei dem Reisebüro. Aufgrund eines Versehens eines Reisebüromitarbeiters wird allerdings nicht ein Flug nach San José in Kalifornien (IATA Code SJC) gebucht, sondern ein Flug nach San José in Costa Rica (IATA Code SJO). Weder dem Reisebüro noch dem R fällt die Verwechslung auf. Als R am Tag der Abreise am Flughafen erscheint, stellt er fest, dass der Flug nicht in die USA geht. Er tritt den Flug nicht an und begehrt Ersatz aller ihm entstandenen Schäden.

Variante 2: R entscheidet sich für eine Pauschalreise in die Vereinigten Staaten. Der Reiseveranstalter stellt dem Reisebüro umfangreiche Informationen, auch hinsichtlich der Einreisebestimmungen in die USA, zur Verfügung. Das Reisebüro reicht diese Informationen versehentlich nicht an R weiter. Am Tag der Abreise kann R den Flug nicht antreten, da er nicht die notwendigen Unterlagen vorweisen kann. Eine kurzfristige Neuausstellung eines biometrischen Reisepasses sowie die Beantragung einer Einreisegenehmigung scheitern. Der Urlaub fällt aus. R begehrt Ersatz aller ihm entstandenen Schäden.

II. Reisevermittlungsvertrag

 

Rz. 176

Der Reisevermittlungsvertrag hat als Geschäftsbesorgungsvertrag mit Werksvertragscharakter den Inhalt, dass ein vermittelter Hauptvertrag über eine Reiseleistung zustande kommt.[189] Daneben treffen den Reisevermittler Sorgfalts- und Informationspflichten, wie etwa die ordnungsgemäße Weitergabe von Informationen an die jeweiligen Parteien. Diese Pflichten ergeben sich bei der Vermittlung einer Pauschalreise direkt aus § 651v Abs. 1 BGB, der allerdings nur auf die Vermittlung einer Pauschalreise Anwendung findet.[190] Bei der Vermittlung einzelner Reiseleistungen treffen den Reisevermittler ebenso Obhuts- und Aufklärungspflichten, die sich indes aus § 675 BGB i.V.m § 241 Abs. 2 BGB ergeben. Allerdings unterscheiden sich die Pflichten in ihrem Umfang. Da in § 651v BGB lediglich die Vermittlung der Pauschalreise geregelt ist und keine Vollharmonisierung zur Vermittlung einzelner Reiseleistungen erfolgte, verbleibt es mangels gesetzlicher Regelung bei den schon bislang durch die Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen.[191]

[189] Führich/Staudinger, § 26 Rn 1.
[190] Palandt/Sprau, § 651v Rn 1.
[191] MüKo/Tonner, § 651v Rn 12.

1. Stellung des Reisevermittlers

 

Rz. 177

Der Reisevermittler ist Handelsvertreter (§§ 84 ff. HGB) oder Handelsmakler (§§ 93 ff. HGB).

2. Pflichten des Reisevermittlers

 

Rz. 178

Den Reisevermittler treffen zahlreiche Pflichten vor und nach dem Abschluss des Reisevertrags. Er muss den Reisenden beraten und informieren und überdies – auch in Erfüllung der Verpflichtungen des Reiseveranstalters – Informationen an den Reisenden übermitteln.

a) Vorvertragliches Beratungsgespräch

 

Rz. 179

Dem Reisevermittler ist in § 651b Abs. 1 BGB die Möglichkeit eröffnet, ein Beratungsgespräch zu führen, in dem er den Kunden hinsichtlich seines Reisewunschs befragt und allgemein zu Reiseangeboten berät. Dies stellt noch nicht den Beginn des Buchungsvorgangs dar. Hintergrund dieser Regelung ist es, zu verhindern, dass aufgrund der weiten Definition der Pauschalreise bereits jede Abfrage des Kundenwunschs zu einem Buchungsvorgang führt.

b) Vorvertragliche Informationspflichten

 

Rz. 180

Der Kunde ist vor Abgabe seiner Vertragserklärung über den Abschluss des Reisevertrags anhand eines Formblatts über seine Rechte zu informieren, § 651v Abs. 1 BGB. Die entsprechenden Informationspflichten treffen nach § 651d BGB ebenso den Reiseveranstalter; die Pflichten sind nur einmal zu erfüllen, wie sich aus § 651d Abs. 1 S. 2 BGB ergibt.

 

Rz. 181

Das Formblatt unterscheidet sich je nach der tatsächlich gebuchten Reise, sodass immer eine Prüfung erfolgen sollte, ob das zutreffende Formblatt ausgehändigt wurde. Vor Buchung einer Pauschalreise sind dem Kunden darüber hinaus weitere Informationen zu seiner Reise zu Verfügung zu stellen, die in Art. 250 § 1 bis § 3 EGBGB aufgeführt sind. Für den Reisevermittler besteht indes keine gesetzliche Verpflichtung, Informationen nach Vertragsschluss, aber vor R...

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