Rz. 572

Ein Widerruf von Versorgungsleistungen kam nach früherer BAG-Rspr. von daher vornehmlich nur bei einem Wegfall der bei Zusageerteilung bestehenden Geschäftsgrundlage in Betracht (grundlegend BAG v. 10.12.1971 – 3 AZR 190/71, NJW 1972, 733; BAG v. 8.7.1972 – 3 AZR 481/71, DB 1972, 2069), wobei der Wegfall der Geschäftsgrundlage auf einer wirtschaftlichen Notlage beruhen musste.

 

Rz. 573

Diese wirtschaftliche Notlage war dem Sicherungsfall nach § 7 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 BetrAVG a.F. gleichzusetzen, sodass ein entsprechender Widerruf nur zulässig war, wenn die Belastungen des Arbeitgebers infolge der wirtschaftlichen Notlage so groß geworden waren, dass ihm als Schuldner der Versorgungszusage nicht zugemutet werden konnte, seine vertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen (BAG v. 6.12.1979 – 3 AZR 274/78, NJW 1980, 2598; BAG v. 14.8.1980 – 3 AZR 437/79, BB 1981, 979; BAG v. 11.9.1980 – 3 AZR 544/79, BB 1981, 792; BAG v. 26.4.1988 – 3 AZR 277/87, NZA 1989, 305). Dagegen reichten bloße sachliche Gründe nicht als Legitimation für einen Widerruf aus (BAG v. 26.4.1988 – 3 AZR 277/87, NZA 1989, 305).

 

Rz. 574

Mit der Novellierung des BetrAVG zum 1.1.1999 ist der Insolvenzsicherungsgrund der wirtschaftlichen Notlage allerdings gestrichen worden. Der PSV ist daher aufgrund dieser Einschränkung des Insolvenzschutzes nicht mehr für derartige "Notlagenfälle" einstandspflichtig (nach früherem Recht konnte der Widerruf wegen wirtschaftlicher Notlage nur erfolgen, wenn der PSV die Haftung für die widerrufene Altersversorgung übernahm; vgl. hierzu BAG v. 25.1.2000 – 3 AZR 862/98, n.v.; Langohr-Plato, MDR 1994, 856).

 

Rz. 575

Vor diesem Hintergrund ist ein einseitiges Widerrufsrecht des Arbeitgebers nicht mehr zu bejahen (zustimmend BAG v. 17.6.2003 – 3 AZR 396/02, AP Nr. 24 zu § 7 BetrAVG m. Anm. Langohr-Plato; vgl. ferner: BAG v. 8.12.2020 – 3 AZR 65/19, BetrAV 2021, 172 = Langohr-Plato, jurisPR-ArbR 13/2021 Anm. 5). Das BetrAVG ist von seiner Gesamtkonzeption her ein Arbeitnehmerschutzgesetz. Gerade mit den Aspekten des Entgeltcharakters betrieblicher Versorgungsleistungen und deren Unverfallbarkeit wäre es unvereinbar, den Versorgungsberechtigten über eine einseitige Widerrufsmöglichkeit des Arbeitgebers, die keine Ersatzhaftung Dritter – hier des PSV – auslöst, schutzlos zu stellen. Gerade dies war aber nicht die Intention des Gesetzgebers. Selbst wenn man unter dem Aspekt des Grundsatzes der Vertragsfreiheit die vertragliche Vereinbarung eines entsprechenden Widerrufsvorbehaltes für zulässig erachtet, wird man aber in Anwendung der Rechtsgrundsätze von "Treu und Glauben" sowie des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes den Arbeitgeber verpflichten können und müssen, in einer solchen wirtschaftlichen Notlagensituation den Weg über den außergerichtlichen Vergleich zu gehen, um so den insoweit nach wie vor möglichen Insolvenzschutz für den Versorgungsberechtigten zu erlangen.

 

Rz. 576

Von daher ist insoweit der generelle Rechtsgrundsatz, dass fehlende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit in aller Regel kein Grund dafür ist, sich von einer übernommenen Zahlungsverpflichtung zu lösen, auch im Betriebsrentenrecht wieder uneingeschränkt heranzuziehen (so ausdrücklich BAG v. 17.6.2003 – 3 AZR 396/02, AP Nr. 24 zu § 7 BetrAVG m. Anm. Langohr-Plato; vgl. ferner: BAG v. 8.12.2020 – 3 AZR 65/19, BetrAV 2021, 172 = Langohr-Plato, jurisPR-ArbR 13/2021 Anm. 5; BGH v. 13.7.2006 – IX ZR 90/05, DB 2006, 1951).

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