Rz. 1

Nach früherer Rechtslage (§ 3 Nr. 9 EStG a.F.) waren "Abfindungen wegen Auflösung des Dienstverhältnisses" unter bestimmten Voraussetzungen und bis zu einer bestimmten Höhe (zuletzt 7.200 bis 11.000 EUR) steuerfrei. Obwohl der Freibetrag schon zum Jahreswechsel 2005/2006 abgeschafft wurde, kursiert gelegentlich immer noch das Gerücht, dass Abfindungen steuerfrei gezahlt werden könnten. Sie unterliegen jedoch seit dem Veranlagungszeitraum 2006 und dem Auslaufen der Übergangsregelung im Jahr 2008 grundsätzlich voll der Einkommenssteuer und sind lediglich beitragsfrei in der Sozialversicherung, wenn sie wegen der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses als Entschädigung für den Wegfall künftiger Verdienstmöglichkeiten durch den Verlust des Arbeitsplatzes gezahlt werden.[1] In steuerrechtlicher Hinsicht ist lediglich die Möglichkeit geblieben, über die sog. Fünftelregelung (§§ 34, 24 Nr. 1 Buchst. a EStG) die Auswirkungen der Steuerprogression bei der Zusammenballung von Einkünften in einem Veranlagungszeitraum abzumildern.

 

Rz. 2

Voraussetzung der Anwendung der Fünftelregelung ist u.a., dass eine Abfindung den Entschädigungsbegriff des § 24 Nr. 1 EStG erfüllt. Voraussetzung für alle Fallgruppen in § 24 Nr. 1 EStG ist, dass der Steuerpflichtige infolge der Beeinträchtigung der durch die einzelnen Fallgruppen geschützten Rechtsgüter einen finanziellen Schaden erlitten haben muss und die Zahlung unmittelbar dazu bestimmt ist, diesen Schaden auszugleichen.[2]

Die Rechtsprechung fordert nicht mehr, dass ein zur Entschädigung führendes "besonderes Ereignis" ohne oder gegen den Steuerpflichtigen eingetreten ist. Es wird jedoch weiterhin eine Zwangslage vorausgesetzt. Die Mitwirkung des Steuerpflichtigen ist nur dann unschädlich, wenn er unter einem erheblichen wirtschaftlichen, rechtlichen oder tatsächlichen Druck stand.[3] Abfindungszahlungen, die bei der Auflösung eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses gezahlt werden, sind somit dann eine Entschädigung, wenn die Beendigung des Vertrags vom Arbeitgeber ausgeht bzw. von ihm veranlasst wurde. Beim einvernehmlichen Abschluss einer Aufhebungs- oder Änderungsvereinbarung sind tatsächliche Feststellungen zu der Frage, ob der Arbeitnehmer unter einem nicht unerheblichen rechtlichen, wirtschaftlichen oder tatsächlichen Druck gehandelt hat, regelmäßig entbehrlich.[4] Erfolgt die Auflösung des Arbeitsverhältnisses, weil der Arbeitnehmer nicht mehr genügend Zeit für die Ausübung seiner Tätigkeit bei dem Arbeitgeber hat, wird die Tätigkeit nicht auf Veranlassung des Arbeitgebers beendet. Bei einem Arbeitnehmer setzt die Steuerbegünstigung für die Aufgabe der Tätigkeit nach § 24 Nr. 1 Buchst. b EStG voraus, dass der Arbeitgeber die Entschädigung deswegen "für" die Aufgabe oder Nichtausübung der Tätigkeit zahlt, weil er an diesen Unterlassungen ein erhebliches Interesse hat.[5]

Als Entschädigung gelten nur solche Beträge, die der Arbeitnehmer bei Auflösung des Dienstverhältnisses über die vertragsgemäß schon entstandenen Bezüge hinaus erhält. §§ 24, 34 EStG sind deshalb nicht anwendbar, wenn mit Zahlungen des Arbeitgebers bereits verdiente Ansprüche abgegolten werden, wie z.B. rückständiger Arbeitslohn, anteiliger Arbeitslohn, Urlaubsabgeltung, Weihnachtsgeld, Gratifikationen, Tantiemen oder bei rückwirkender Beendigung des Dienstverhältnisses bis zum steuerlich anzuerkennenden Zeitpunkt der Auflösung noch zustehende Gehaltsansprüche. Sie sind weder Abfindung noch Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes. Das gilt auch für freiwillige Leistungen, wenn sie in gleicher Weise den verbleibenden Arbeitnehmern tatsächlich zugewendet werden.

Keine Entschädigung sind Zahlungen zur Abgeltung vertraglicher Ansprüche, die der Arbeitnehmer aus dem Dienstverhältnis zum Zeitpunkt der Auflösung erlangt hat.[6] Dies gilt auch, wenn der Arbeitnehmer für den Abgeltungszeitraum von der Arbeit freigestellt worden ist.[7]

 

Rz. 3

Nach der Rechtsprechung des BFH[8] ist auch eine Abfindung, die an einen Arbeitnehmer gezahlt wird, weil dieser seine Wochenarbeitszeit aufgrund einer Änderungsvereinbarung unbefristet reduziert, eine begünstigt zu besteuernde Entschädigung i.S.d. § 24 Nr. 1 Buchst. a i.V.m. § 34 EStG. Das Gesetz verlangt in § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG nicht, dass das zugrunde liegende Rechtsverhältnis (hier: Arbeitsverhältnis) gänzlich beendet werden müsse. Der Arbeitnehmer muss seine Tätigkeit nicht in vollem Umfang aufgeben. Das Gesetz setzt lediglich voraus, dass Einnahmen wegfallen und dass dafür Ersatz geleistet wird. Dies ist der Fall, wenn die Parteien des Arbeitsvertrags eine Verminderung der Arbeitszeit vereinbaren, die Vollzeitbeschäftigung des Arbeitnehmers also in eine Teilzeitbeschäftigung überführen, und der Arbeitnehmer dafür abgefunden wird. Dies gilt auch für eine Änderungskündigung.[9]

 

Rz. 4

Nicht zu den Entschädigungen i.S.d. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG gehören andere Bezüge, die lediglich aus Anlass der Auflösung eines Dienstverhältnisses bezahlt werden. Dasselbe gil...

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