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Eine erhebliche Rolle spielt in der Praxis der Planfeststellung die Frage, ob die Planung den Erfordernissen des Natur- und Landschaftsschutzes entspricht.

Nach § 15 Abs. 1 BNatSchG sind Eingriffe in Natur und Landschaft zu vermeiden; unvermeidbare Eingriffe sind auszugleichen (§ 15 Abs. 2 S. 1 BNatSchG). Ist ein unvermeidbarer Eingriff nicht ausreichend auszugleichen oder in sonstiger Weise zu kompensieren, ist der Eingriff zu untersagen, wenn bei Abwägung aller Anforderungen die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege im Range vorgehen (§ 15 Abs. 5 BNatSchG). Für nicht ausgleichbare aber vorrangige Eingriffe ist Ersatz in Geld zu leisten (§ 15 Abs. 6 BNatSchG).

In Rechtsprechung und Literatur ist der rechtliche Gehalt namentlich des Vermeidungsgebots für die Planfeststellung bis heute nicht völlig geklärt. Zwar wird seit längerem ganz überwiegend angenommen, das Vermeidungsgebot sei striktes Recht.[102] Die Folge dieser Einstufung auf die planfeststellungsrechtliche Abwägung ist damit aber noch nicht beschrieben. Insbesondere ist damit noch nicht gesagt, ob aus dem Vermeidungsgebot eine Verabsolutierung des Belangs Naturschutz in der Weise folgt, dass stets die für Natur und Landschaft schonendste Trasse der Planung zugrunde zu legen ist. Hierzu hat das BVerwG entschieden, dass das naturschutzrechtliche Vermeidungsgebot sich auf das vom Vorhabenträger zur Gestattung gestellte Vorhaben bezieht und planerische Entschließungsfreiheit voraussetzt. Aus der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung ergibt sich – obwohl sie striktes Recht ist – danach kein Gebot, stets diejenige Alternative eines Vorhabens zu wählen, welche die Natur am wenigsten belastet.[103]

§ 15 Abs. 3 BNatSchG bereichert das Arbeitsprogramm der Eingriffsregelung um ein Rücksichtnahmegebot. Er legt neu fest, dass bei einer Inanspruchnahme land- oder forstwirtschaftlicher Flächen für Kompensationsmaßnahmen auf agrarstrukturelle Belange Rücksicht zu nehmen ist. Für eine landwirtschaftliche Bodennutzung besonders geeignete Böden dürfen nur im notwendigen Umfang beansprucht werden. Es ist zu vermeiden, dass diese Flächen aus der Nutzung gehen. Dies setzt eine Prüfung voraus, ob Ausgleich oder Ersatz nicht auch durch Maßnahmen der Entsiegelung, der Wiedervernetzung von Lebensräumen oder durch Bewirtschaftungs- und Pflegemaßnahmen erbracht werden können. Bewirtschaftungs- oder Pflegemaßnahmen kommen aber nur in Betracht, wenn sie der dauerhaften Aufwertung des Naturhaushalts oder des Landschaftsbildes dienen.

Ein Verstoß gegen die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung führt auf die Klage eines vom Vorhaben enteignend Betroffenen nur dann zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses, wenn der Verstoß kausal für die Eigentumsinanspruchnahme ist.[104] Eine Planaufhebung scheidet auch aus, wenn der Fehler durch Planergänzung oder -Modifizierung behoben werden kann;[105] auch hierbei dürfte es sich um einen Fall fehlender Kausalität handeln. Zum 1.3.2010 trat die Neufassung des BNatSchG in Kraft. Aus bisherigem Rahmenrecht des Bundes wurde eine Vollregelung aufgrund Gesetzgebungskompetenz für die konkurrierende Gesetzgebung.

[102] BVerwG v. 27.9.1990 – 4 C 44.87, BVerwGE 85, 348; BVerwG v. 21.8.1990 – 4 B 104.90, NVwZ 1991, 69; BVerwG v. 21.12.1995 – 11 VR 6.95, DVBl 1996, 676; BVerwG v. 17.2.1997 – 4 VR 17.96, NuR 1998, 305, 310.
[103] BVerwG v. 21.3.1996 – 4 C 19.94, DVBl 1996, 915; BVerwG v. 17.2.1997 – 4 VR 17.96, NuR 1998, 305, 310; zuvor so schon OVG Münster v. 10.11.1993, NVwZ-RR 1995, 10; VGH Mannheim NVwZ-RR 1989, 349, 351; vgl. auch BVerwG v. 30.10.1992, NVwZ 1993, 565, 568.
[104] BVerwG DVBl 1996, 915.
[105] OVG Münster NVwZ-RR 1995, 10, 12.

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