Rz. 28

In den in § 20 Nr. 12 und 13 des Rechtspflegergesetzes (RPflG) aufgezählten Fällen wird die vollstreckbare Ausfertigung nicht vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, sondern vom Rechtspfleger des Vollstreckungsgerichts erteilt. Die in § 20 Nr. 12 und 13 RPflG genannten Fälle aus dem 8. Buch der ZPO sind: §§ 726 Abs. 1, 727–729, 733, 738, 742, 744, 745 Abs. 2, 749, 797 Abs. 3 ZPO und § 60 S. 3 Nr. 2 SGB VIII. Diese Vollstreckungsklauseln nennt man auch "qualifizierte Vollstreckungsklauseln".

 

Rz. 29

Wie eingangs ausgeführt, ist für die Erteilung der Vollstreckungsklausel im Regelfall der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle zuständig. Nun bestimmt aber § 750 Abs. 1 ZPO, dass die Vollstreckung nur beginnen darf, wenn die Personen, für und gegen die vollstreckt werden soll (also Schuldner und Gläubiger!), im Titel oder der dem Titel beigefügten Vollstreckungsklausel namentlich bezeichnet sind. In allen Fällen, in denen zum Beispiel eine Rechtsnachfolge auf Seiten des Schuldners oder Gläubigers erfolgt, sei es zum Beispiel durch eine Abtretung, Übereignung, Erbschaft, Firmenübernahme etc., benötigt der vorhandene Titel eine sog. Rechtsnachfolgeklausel gem. §§ 727 ff. ZPO. Da die Voraussetzungen für den tatsächlichen Eintritt einer Rechtsnachfolge nicht immer einfach zu prüfen sind, ist diese Aufgabe dem Rechtspfleger zugeteilt.

 

Rz. 30

Gleiches gilt auch für die Fälle, in denen im Titel weitere Bedingungen vor Beginn der Vollstreckung erfüllt sein müssen, wenn diese Bedingungen nicht mit einem Kalendertag (der einfach zu überprüfen wäre) der Widerrufsfrist eines Vergleichs (der aus der Akte ersichtlich ist) oder der Sicherheitsleistung (deren Erbringung ebenfalls vom Vollstreckungsorgan einfach zu prüfen ist) im Zusammenhang stehen.

 

Rz. 31

 

Beispiel:

Die Parteien schließen einen Vergleich. Dort heißt es: "Der Beklagte zahlt zur Abgeltung aller Ansprüche bis zum 31.12.2018 einen Betrag von 3.000,00 EUR. Zahlt der Beklagte bis dahin die 3.000,00 EUR nicht, lebt der Restbetrag in Höhe von 4.000,00 EUR wieder auf und der Beklagte muss diesen ebenfalls an den Kläger zahlen." Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle kann ohne Weiteres die Vollstreckungsklausel bezüglich des Betrags von 3.000,00 EUR erteilen. Da die Nichtleistung der 3.000,00 EUR anspruchsbegründend für die Zahlung der weiteren 4.000,00 EUR ist, muss der Kläger die Nichtzahlung durch öffentliche Urkunde nachweisen. (Ein Rückschein der Post reicht nicht aus!). Dies kann er z.B. durch eine Zustellungsurkunde des Gerichtsvollziehers, der ein Mahnschreiben an den Schuldner zugestellt hat. Erst nach Vorlage eines solchen Nachweises kann der Rechtspfleger über den Restbetrag von 4.000,00 EUR die weitere Vollstreckungsklausel erteilen.

 

Rz. 32

 

Tipp:

Eine Vergleichsformulierung wie oben ausgeführt bereitet in der Praxis erhebliche Mehrarbeit bei der Vollstreckung. Zu bevorzugen wäre daher folgende Formulierung, die wirtschaftlich den gleichen Inhalt hat: "Der Beklagte zahlt zur Abgeltung aller Ansprüche einen Betrag von 7.000,00 EUR. Zahlt er bis zum 31.12.2018 3.000,00 EUR, muss er den Restbetrag von 4.000,00 EUR nicht mehr zahlen." Den Nachweis für die pünktliche Zahlung muss in diesem Fall der Beklagte erbringen. Der Kläger erhält eine einfache Vollstreckungsklausel über den gesamten Betrag (7.000,00 EUR)!

 

Rz. 33

Eine Rechtsnachfolgeklausel benötigt man z.B. bei Erbschaft, Übereignung, Firmenübernahme etc.

 

Beispiel:

Die Gläubigerin ist 88 Jahre alt und verstirbt eines Tages. Aus dem Titel über 200.000,00 EUR, der auf sie lautet, kann nun nicht mehr vollstreckt werden. Der Enkel ist Alleinerbe. Der Rechtsanwalt beantragt nun, die Zwangsvollstreckung für den Enkel (Nachweis: Erbschein) für zulässig zu erklären (= Antrag auf Erteilung einer Vollstreckungsklausel auf den Erben).

 

Rz. 34

Bei Heirat eines Schuldners oder Gläubigers wird keine neue Vollstreckungsklausel erteilt. Hier wird lediglich ein sog. "Klarstellungsvermerk" angebracht. Nach Vorlage einer Heiratsurkunde kann der Gläubiger z.B. problemlos beantragen, dass der Titel auf den neuen Namen umgeschrieben wird. Bedarf es auf Seiten des Gläubigers zum Zwecke der Zwangsvollstreckung im Übrigen eines Erbscheins, einer Heirats- oder Sterbeurkunde, etc., die dem Schuldner Angehörigen normalerweise auf Antrag von einer Behörde, einem Beamten oder einem Notar zu erteilen sind, so kann der Gläubiger an Stelle des Schuldners die Erteilung verlangen, § 792 ZPO. Die Kosten für die Erteilung verauslagt der Gläubiger. Der Schuldner muss sie als notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung erstatten.

 

Rz. 35

 

Büromäßige Behandlung:

Natürlich würde eine aktuelle Auskunft des Einwohnermeldeamts mit Erteilung des Vollstreckungsauftrags völlig ausreichen als Nachweis für die erfolgte Namensänderung des Schuldners. Allerdings ist zu empfehlen, in einer Zeit, in der gerade nicht unbedingt vollstreckt werden muss, einen Klarstellungsvermerk auf dem Titel anbringen zu lassen. So kann man dann auch vermeiden, dass Fehler bei der Vollstrec...

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