Rz. 8

Wie bereits erörtert, findet die Zwangsvollstreckung nicht nur aus rechtskräftigen Urteilen, sondern auch aus für vorläufig vollstreckbar erklärten Urteilen statt. Dies bedeutet für den Gläubiger, dass er vor der Rechtskraft des Titels die Zwangsvollstreckung betreiben kann. Besonders dann, wenn ein Rechtsmittel eingelegt worden ist, kann die "vorläufige Vollstreckbarkeit" dem Gläubiger helfen, seine Ansprüche zu sichern. Müsste er die Rechtskraft des Titels abwarten, könnte das dazu führen, dass eine Zwangsvollstreckung erst nach ein oder zwei Jahren möglich ist. Eine Vollstreckung kann aber umgekehrt für einen Schuldner, der womöglich in der höheren Instanz eine Aufhebung oder Abänderung des Titels erreicht, äußerst nachteilig sein, da der Gläubiger womöglich erfolgreich vollstreckt und einen Erlös schon ausgegeben hat. Einen derartigen Schaden hat der Gläubiger nach § 717 ZPO zu ersetzen. Das Gesetz sieht daher verschiedene Schutzmechanismen vor. § 708 ZPO katalogisiert zunächst die Titel, die grundsätzlich von Amts wegen (also auch ohne entsprechenden Antrag) für vorläufig vollstreckbar ohneSicherheitsleistung erklärt werden.

 

Rz. 9

Dies sind z.B.

Anerkenntnis- oder Verzichtsurteile (§ 708 Nr. 1 ZPO);
Versäumnisurteile, Urteile nach Lage der Akten (§ 708 Nr. 2 ZPO);
Urteile, durch die der Einspruch als unzulässig verworfen wird (§ 708 Nr. 3 ZPO);
Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozessurteile (§ 708 Nr. 4 ZPO);
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil für vorbehaltslos erklären (§ 708 Nr. 5 ZPO);
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden (§ 708 Nr. 6 ZPO);
Urteile in Mietstreitigkeiten (§ 708 Nr. 7 ZPO);
Berufungs-Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten (§ 708 Nr. 10 ZPO); sofern eine Berufung durch ein Urteil oder nach § 522 Abs. 2 ZPO durch einen Beschluss (d.h. ohne mündliche Verhandlung) zurückgewiesen wird, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist);
Urteile bis zu einem Streitwert von 1.250,00 EUR (§ 708 Nr. 11 ZPO).
 

Rz. 10

§ 709 ZPO bestimmt, dass andere Urteile als die in § 708 ZPO aufgezählten (so z.B. ein landgerichtliches Endurteil der ersten Instanz mit einem Streitwert von 15.000,00 EUR) nur gegen Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärt werden dürfen. In § 709 ZPO ist geregelt, dass es bei einer zu vollstreckenden Geldforderung ausreichend ist, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags angegeben ist. Es ist also nicht mehr notwendig, die Sicherheitsleistung in einem Geldbetrag anzugeben. Vielmehr wird heutzutage die Sicherheitsleistung meist 110 % der zu vollstreckenden Forderung betragen.

 

Rz. 11

 

Beispiel:

Der Beklagte wird verurteilt, 10.000,00 EUR zu bezahlen. Der Gläubiger möchte aus diesem vorläufig vollstreckbaren Urteil vor Rechtskraft vollstrecken. Dies kann er aber nur, wenn er eine Sicherheitsleistung in entsprechender Höhe erbringt. Das Gericht hat angeordnet, dass eine Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der zu vollstreckenden Forderung erbracht werden muss. Will der Gläubiger also den gesamten Betrag in Höhe von 10.000,00 EUR vollstrecken, muss er eine Sicherheit in Höhe von 11.000 EUR leisten. Zu beachten ist allerdings, dass sich der Betrag für die zu erbringende Sicherheitsleistung entsprechend erhöht, wenn auch Kosten und Zinsen mit vollstreckt werden sollen.

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