Rz. 82

Grundsätzlich besteht keine allgemeine Sorgfaltspflicht des Käufers, die Kaufsache eingehend zu untersuchen.[17] Dieser Grundsatz gilt jedoch im Bereich des Unternehmenskaufs nur sehr eingeschränkt. Denn je erfahrener der Käufer bezüglich M&A Transaktionen ist, desto mehr ist ihm zuzumuten bzw. von ihm zu erwarten, dass er die branchenüblichen Informationsquellen kennt und insbesondere die Möglichkeit einer Due Diligence umfassend nutzt. Vor diesem Hintergrund besteht insbesondere für einen transaktionserfahrenen Erwerber das erhebliche Risiko, dass ihm bei einer nicht mit der ausreichenden Sorgfalt durchgeführten Due Diligence grob fahrlässige Unkenntnis von etwaigen Mängeln des Kaufgegenstandes entgegengehalten wird. Daher wird die Geschäftsführung bzw. der Vorstand des Erwerbers schon aus haftungsrechtlichen Gesichtspunkten, auch wenn keine Bank dies für eine etwaige Finanzierung verlangt, im Rahmen der Business Judgement Rule eine eingehende Prüfung des Zielunternehmens veranlassen. Nach der hierzu existierenden Rechtsprechung stellt der vollkommene Verzicht oder eine offensichtlich unzureichende Due Diligence einen Verstoß gegen die Sorgfaltspflichten der Geschäftsführung dar (§ 43 Abs. 1 GmbHG bzw. § 93 Abs. 1 AktG) und kann (vor allem in einer nachfolgenden Insolvenz) zu einer Haftung der Organe gegenüber der Gesellschaft führen. Aus diesem Grund besteht auch bei größeren Unternehmen die Tendenz für Due Diligence Prüfungen Großkanzleien und renommierte Wirtschaftsprüfungsgesellschaften einzusetzen, was bei kleineren Transaktionen im Mittelstand häufig zu "kulturellen" Schwierigkeiten zwischen Verkäufer (Berater mit "Hands-On Mentalität") und Käufer (eingespieltes und größenunabhängiges Prüfungsprocedere) führt. Im Sinne der Kaufpreismaximierung ist der Verkäufer gut beraten, hier im Rahmen des Möglichen auf die Wünsche des Käufers einzugehen – auch wenn es manchmal wehtut.

 

Rz. 83

Im Übrigen bestimmen die Ergebnisse der Due Diligence ganz maßgeblich den Umfang und den Inhalt der vom Käufer geforderten Gewährleistungen und Garantien. Insoweit ist klar, dass der Verkäufer möglichst wenige Garantien geben bzw. Gewährleistungen übernehmen möchte, der Erwerber jedoch an umfassenden Gewährleistungsregelungen Interesse hat. Die Frage, welche Tatsachen bzw. Umstände dem Erwerber bekannt sind und damit einen Garantieanspruch ausschließen, wird üblicherweise heutzutage im Share Purchase Agreement (kurz "SPA") adressiert. § 442 BGB, also der Ausschluss von Rechten bei Kenntnis vom Mangel, wird dabei regelmäßig abbedungen und durch ein eigenes Regelungssystem ersetzt. Der Erwerber wird ein Konzept bevorzugen, bei dem er sich nur solche Umstände als bekannt zurechnen lassen muss, die in Anlagen zum Vertrag ausdrücklich offengelegt wurden (sogenannte Disclosure Schedules). Für den Verkäufer wäre es vorteilhaft, wem dem Käufer der komplette "Inhalt" des Datenraums zugerechnet wird. Im Verhandlungswege wird typischerweise eine Kombination der beiden Konzepte erfolgen. Der Erwerber wird hierbei verständlicherweise darauf drängen, dass seine Kenntnis nur dann vermutet wird, wenn der Umstand/Mangel mit einiger Deutlichkeit erkennbar war (Fair Disclosure). Insofern sollte im Vertrag auch der Empfängerhorizont, sprich auf wessen Kombinationsgabe abzustellen ist, eindeutig definiert werden.

[17] Müller, NJW 2004, 2196; Fleischer/Körber, BB 2001, 841.

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