Rz. 105

Abhängig vom Konzept der Transaktion, dem Erwerber und einem befristeten Verbleib des Verkäufers im Unternehmen, kann der Kaufpreis (unabhängig von Earn-Out oder Gewährleistungsansprüchen, die den Kaufpreis nachträglich erhöhen oder mindern) noch einer Anpassung unterliegen. Für den Verkäufer ist selbstverständlich ein fester Kaufpreis von Vorteil. Andererseits kann ein begründetes Interesse des Käufers bestehen, dass der Kaufpreis – typischerweise auf Basis von Closing Accounts – einer Anpassung unterliegt. Insbesondere Finanzinvestoren auf Käuferseite sind Anhänger von Kaufpreisanpassungen auf Basis von so genannten Closing Accounts.

 

Rz. 106

Einigt man sich auf einen fixen Kaufpreis auf Basis der letzten Bilanz des Zielunternehmens, trägt der Käufer bei normaler Konzeption ab diesem (Bilanzstich-) Tag das wirtschaftliche Risiko von Veränderungen. Er hat bei dieser wirtschaftlichen Rückbeziehung jedenfalls ein Interesse daran, dass dem Unternehmen nicht bis zum rechtlichen Übergang noch zu seinen Lasten Mittel entzogen werden. Insofern verpflichtet sich der Verkäufer bei diesem Konzept in der Regel der Gesellschaft keine Mittel, sei es zum Beispiel durch Dividenden oder nachteilige Rechtsgeschäfte, insbesondere mit dem Verkäufer oder ihm nahestehenden Personen, mehr zu entziehen bzw. zwischen dem Bilanzstichtag und Signing entzogen zu haben (sogenannte No-Leakage Verpflichtung) – da das Unternehmen für den Verkäufer an dem letzten Bilanzstichtag, mit Ausnahme genehmigter Geschäfte ("permitted Leakage"), quasi "abgeschlossen" ist, spricht auch vom Locked Box Konzept.

 

Rz. 107

Liegt der letzte Bilanzstichtag beim Signing bzw. Closing (also dem Wirksamwerden des Verkaufs) bereits länger zurück, so wird der Verkäufer in der Regel auf einem Kaufpreisanpassungsmechanismus auf Basis so genannter Closing-Accounts, sprich häufig einer geprüften Bilanz auf den Zeitpunkt des Anteilsübergangs, bestehen. Dabei wird beim Closing zunächst nur ein vorläufiger Kaufpreis bezahlt, der auf Basis von Schätzungen ermittelt wurde und anschließend auf Grundlage der Closing-Accounts angepasst wird. Es sind zahlreiche Parameter denkbar, auf deren Basis die Kaufpreisanpassung stattfindet, in der Transaktionspraxis haben sich die Anpassung (und damit auch die Schätzung des vorläufigen Kaufpreises) auf Grundlage von Net Debt (also die Netto-Finanzverbindlichkeiten unter Berücksichtigung des Kassenbestands) und Net-Working Capital (Nettoumlaufvermögen) durchgesetzt. Eine isolierte Anpassung durch die Netto-Finanzverbindlichkeiten würde es dem Verkäufer ermöglichen, diese durch Erhöhung der Cash-Position zum Closing künstlich schön zu rechnen (Factoring, Verlängerung von eigenen Zahlungszielen, Einzug noch nicht fälliger eigener Forderungen außerhalb des gewöhnlichen Geschäftsgangs), so dass Net-Debt und Net-Working-Capital "Anpasser" grundsätzlich in der Transaktionspraxis als Paar auftreten (siehe hierzu auch noch Rdn 155 Definition des Kaufpreises).

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