Rz. 108

Ausgangspunkt der Prüfung von Sachmängelgewährleistungsansprüchen ist § 434 Abs. 1 BGB (beim Share Deal gilt über die Verweisung in § 453 Abs. 1 BGB im Ergebnis dasselbe), dem zufolge die verkaufte Sache mangelfrei ist, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat (subjektiver Fehlerbegriff).[21] Fraglich ist vor diesem Hintergrund, welche Sachumstände beim Unternehmenskauf überhaupt die "Beschaffenheit" des Kaufgegenstandes, also des Unternehmens, ausmachen und damit einer Vereinbarung der Beteiligten zugänglich sind. Der Beschaffenheitsbegriff ist vor dem Hintergrund der weitgehenden Vertragsautonomie nicht zu eng auszulegen.[22]

[21] Kindl, WM 2003, 409 f.; Schmidt-Räntsch, AnwBl 2003, 529, 531.
[22] Vgl. Schmöcker, ZGR 2005, 63, 79.

a) Beschaffenheitsgarantien

 

Rz. 109

Wegen der gegebenen Privatautonomie, dem gleichzeitigen Problem, die vereinbarte Beschaffenheit zu definieren, und dem grundsätzlichen Wunsch der Parteien, die Rechtsfolgen sicher und abschließend (Ausschluss des Rücktritts) zu klären, vereinbaren die Parteien mittlerweile auch bereits bei kleineren Unternehmenskaufverträgen in aller Regel ein eigenes Haftungsregime, dass (i) sowohl den vereinbarten Zustand des Unternehmens durch abschließende Zusicherungen (Garantierklärungen) beschreibt als auch (ii) die Rechtsfolgen von Garantieverletzungen verbindlich regelt. Die gesetzlichen Rechte werden, soweit zulässig, ausgeschlossen.

 

Rz. 110

Die Garantien sind typischerweise selbstständige Garantieversprechen im Sinne von § 311 Abs. 1 BGB, durch die durch den Verkäufer ein bestimmter Zustand des Unternehmens verschuldensunabhängig zugesichert wird. Hierdurch entsteht geprägt durch die Verhandlungen der Parteien, die Ergebnisse der Due Diligence ("Findings") und die Art des Unternehmens und des Geschäftsmodells ein – vorzugswürdigerweise – einzelfallbezogener Garantienkatalog.

b) Zeitpunkt

 

Rz. 111

Grundsätzlich kommen für die Richtigkeit von Garantien zwei Zeitpunkte in Betracht: (i) der Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages (Signing) oder das Wirksamwerden (typischerweise die dingliche Übertragung der Gesellschaftsanteile oder des Assets) des Kaufvertrages (Closing, siehe unten Rdn 170 f.).

 

Rz. 112

Wie in vielen zentralen Punkten haben die Parteien hier divergierende Interessen. Der Käufer hat ein Interesse daran, dass die Richtigkeit der Garantien zu einem möglichst späten Zeitpunkt und erst mit Übernahme seiner Verfügungsgewalt (Closing) garantiert wird, will der Verkäufer naturgemäß nur ungern für eine zukünftige Beschaffenheit "seine Hand ins Feuer legen". Häufig kommt es auch hier zu Kompromissen dergestalt, dass einige besonders wichtige Garantien auf das Closing abgegeben werden, während das Gros der Garantien auf das Signing abgegeben wird. Zusätzlich kann sich der Käufer auch mit sogenannten Covenants (d.h. Verhaltenspflichten des Käufers zwischen Signing und Closing) behelfen.

Man kann dieser Diskussion entgehen, wenn man auf ein separates Closing verzichtet und die Transaktion bei sofortiger Zahlung des Kaufpreises unmittelbar bei Unterzeichnung des Kaufvertrages wirksam wird (simultanes Signing und Closing). Dies geht naturgemäß nur, wenn keine behördlichen Genehmigungen (z.B. AWG/GWB (Kartellanmeldung)) für die Durchführung des Erwerbs erforderlich sind. Der Käufer wird eher bereit sein (Stichwort "Locked Box", siehe Rdn 106) dieses Konzept in der ersten Jahreshälfte zu akzeptieren.

 

Rz. 113

Immer üblicher wird auch die Kompromisslösung in Form eines so genannten "Bring-Downs". Hier werden grundsätzlich alle Garantien nur auf das Signing abgegeben, wesentliche Garantien aber vom Verkäufer beim Closing wiederholt.

c) Übliche Garantien

 

Rz. 114

Der Inhalt der Garantieerklärungen sollte natürlich maßgebend vom Einzelfall abhängen und den Erkenntnissen der Due Diligence Rechnung tragen. Insofern ist es im Prinzip unmöglich, einen allgemein gültigen Garantienkatalog aufzuzeigen. Typischerweise werden jedoch Garantien zumindest in Bezug auf die folgenden Bereiche abgegeben:

Anteilsinhaberschaft/gesellschaftsrechtliche Verhältnisse
keine Insolvenzgründe
Jahresabschluss/Bilanz
Anlage- und Umlaufvermögen (Zustand/Eigentumsverhältnisse)
gewerbliche Schutzrechte (IP) und IT-Systeme
Datenschutz
genehmigungsrechtliche Situation
Arbeitsrecht/Pensionsverpflichtungen
Rechtsstreitigkeiten
Steuern und Abgaben.
 

Rz. 115

Daneben kommen zahlreiche weitere Themenbereiche, wie Versicherungen, Umwelt, Beihilfen, Grundstückssituation, wesentliche Verträge, Fortgang des Geschäftsbetriebes seit dem letzten Bilanzstichtag, in Betracht, die jedoch niemals abschließend aufgezählt werden können.

d) Steuerfreistellung/Garantie

 

Rz. 116

Bei etwaigen Ansprüchen im Zusammenhang mit Steuern ist zwischen der Steuerfreistellung und Steuergarantien zu unterscheiden, wobei zusätzliche Steuergarantien sich für den Käufer empfehlen, aber (anders als eine Steuerfreistellung) nicht zusätzlich in jedem SPA zu finden sind.

 

Rz. 117

Durch die Steuerfreistellung wird die Steuerlast des Zielunternehmens zeitraumbezogen abgegrenzt: Der Ver...

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