Rz. 10

Der Mitgliedstaat, in dem der Führerscheinbewerber seinen ordentlichen Wohnsitz hat, stellt den Führerschein aus (Art. 7 Abs. 1b der Zweiten Führerschein-Richtlinie, Art. 7 Abs. 1e der Dritten Führerschein-Richtlinie). Der ordentliche Wohnsitz ist in Art. 9 Abs. 1 der Zweiten Führerschein-Richtlinie wie auch Art. 12 der Dritten Führerschein-Richtlinie dahingehend definiert, dass der Führerscheininhaber in diesem Mitgliedstaat während mindestens 185 Tagen im Jahr dort wohnt; das ist in § 7 FeV für das deutsche Recht umgesetzt (siehe oben § 30 Rdn 3 ff.). In Art. 7 Abs. 5 der Zweiten Führerschein-Richtlinie wie gleichlautend in Art. 7 Abs. 5a der Dritten Führerschein-Richtlinie ist bestimmt, dass jede Person nur Inhaber eines einzigen von einem Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins sein kann.

 

Rz. 11

Ausgangspunkt für das Verständnis der weiteren Darstellungen ist der vom EuGH sehr strikt formulierte Grundsatz, dass die gegenseitige Pflicht zur Anerkennung von Führerscheinen ohne jede Voraussetzung, Einschränkung oder Überprüfung zu erfolgen hat.

 

Rz. 12

Überprüfung des Wohnsitzes im Ausstellerstaat: Der jeweilige Mitgliedstaat ist nicht berechtigt zu überprüfen, ob das Wohnsitzerfordernis von 185 Tagen im Mitgliedstaat vom Führerscheininhaber bei der Ausstellung eingehalten wurde. Auf die Einhaltung dieses Erfordernisses hat allein der Ausstellerstaat zu achten.[38]

 

Rz. 13

Strittig ist, ob ein Aufenthalt von mindestens 185 Tagen erfüllt sein muss, damit das Wohnsitzerfordernis als erfüllt angesehen werden kann. Eine Ansicht beruft sich auf den Wortlaut von Art. 12 Abs. 1 der Dritten Führerschein-Richtlinie und sieht erst mit Erfüllung der Mindestdauer das Wohnsitzerfordernis als erfüllt an.[39] Das erscheint jedoch zu eng und läuft dem Sinn und Zweck des Wohnsitzerfordernisses zuwider: Lässt sich eine Person in einem Mitgliedstaat der EU nieder und unterhält dort solche persönlichen und/oder beruflichen Bindungen, dass es als gesichert anzunehmen ist, dass dort ein entsprechender Aufenthalt über mindestens 185 Tage genommen wird, so ist mit Beginn einer solchen Wohnsitznahme die Voraussetzung für die Erteilung einer FE erfüllt.[40]

 

Rz. 14

Die deutschen Behörden und Gerichte dürfen bei den Behörden des Ausstellerstaates hinsichtlich der Einhaltung des Wohnsitzprinzips und der Umstände der Führerscheinausstellung nachfragen und erteilte Auskünfte als vom Ausstellerstaat herrührende unbestreitbare Informationen verwenden.[41]

[38] EuGH v. 29.4.2004 – C-476–01, Rechtssache "Kapper", DAR 2004, 333.
[39] NdsOVG, Beschl. v. 12.11.2013 – 12 ME 188/13, DAR 2014, 44; VGH BW, Beschl. v. 7.7.2014 – 10 S 242/14, BA 51 (2014), 287.
[40] BayVGH, Beschl. v. 19.3.2013 – 11 CS 13.407; ausführlich: BayVGH, Beschl. v. 22.2.2010 – 11 CS 09.1934.
[41] Vgl. BVerwG v. 25.2.1010, DAR 2010, 340.

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