Rz. 203

Ein Zeugnis darf nicht in sich widersprüchlich sein (LAG Hamm v. 17.12.1998 – 4 Sa 630/98, BB 2000, 1090 m. Anm. Schleßmann = MDR 1999, 1073). Dabei taucht immer wieder die Frage auf, ob es "verschlüsselte oder doppelbödige" Zeugnisformulierungen oder gar einen "Geheimcode" gibt und was davon zu halten ist. Aus Gewerkschaftskreisen wird seit 1972 immer wieder der Vorwurf erhoben, die Arbeitgeber benutzten für die Zeugnisausstellung einen "Geheimcode". Eine Liste mit verschlüsselten Formulierungen und Klartexten wurde auszugsweise in Presse, Funk und Fernsehen veröffentlicht. Es ist das Verdienst der Sprachwissenschaft (s. die Nachweise bei Berscheid, WPrax Heft 17/1994, 2, 4), eine Reihe "beschönigender" Zeugnisformulierungen ("Zeugniscode") nebst Übersetzung erstmals vollständig veröffentlicht und ausgewertet und damit für die Rspr. nutzbar gemacht zu haben. Wie schwer die jeweiligen Formulierungen in Klartext übersetzbar sind, hängt von der Art der Verschlüsselung und von den Vorkenntnissen des Beurteilten oder Deutenden ab. Je geringer das Vorwissen des Beurteilten oder Deutenden ist, desto eher wird er den in ihrer alltagssprachlichen Bedeutung harmlos oder positiv klingenden Formulierungen aufsitzen. Vielfach bedeutet Lob in Wahrheit Kritik, wie einige Beispiele zeigen mögen (s. dazu LAG Hamm v. 28.3.2000 – 4 Sa 648/99, BB 2000, 2578; LAG Hamm v. 17.12.1998, BB 2000, 1090 m. Anm. Schleßmann = MDR 1999, 1073; Berscheid, WPrax 1994, 2, 4 m.w.N.; ferner Heine, Das Arbeitszeugnis, S. 105 ff.; Nasemann, Capital 1993, 193, 200; Weuster, BB 1992, 58, 61; Schulz, Alles über Arbeitszeugnisse).

 

Rz. 204

 
Zeugniscode  
Formulierung Bedeutung
Er hat alle Arbeiten ordnungsgemäß erledigt. Er ist ein Bürokrat, der keine Eigeninitiative entwickelt.
Sie hat alle Aufgaben mit der ihr eigenen Art und Sorgfalt erledigt. Sie hat umständlich, ineffektiv gearbeitet und dabei zudem noch geringe Sorgfalt an den Tag gelegt.
Wegen ihrer Pünktlichkeit war sie stets ein gutes Vorbild. Ihre Leistungen lagen weit unter dem Durchschnitt, sie war in jeder Hinsicht eine Niete.
Sie bemühte sich, den Anforderungen gerecht zu werden. Sie hat auf der ganzen Linie versagt.
Er ist ein eifriger Mitarbeiter, welcher die ihm gemäßen Aufgaben schnell und sicher erledigt. Er hat sich stets bemüht, die anspruchsarmen Aufgaben zu bewältigen.
Er hat sich im Rahmen seiner Fähigkeiten eingesetzt. Er hat getan, was er konnte, aber viel ist dabei nicht herausgekommen.
Alle Arbeiten … erledigte sie mit großem Fleiß. Sie war eifrig, aber nicht besonders tüchtig.
Gerne bestätigen wir, dass er sich mit Fleiß und Ehrlichkeit seiner Arbeit widmete. Leider fehlte ihm jegliche fachliche Qualifikation.
Er war immer mit Interesse bei der Sache. Er hat sich angestrengt, aber nichts geleistet.
Sie war Neuem ggü. stets sehr aufgeschlossen. Sie hat es nicht geschafft, das Ganze dann auch in die Praxis umzusetzen.
Er zeigte Verständnis für die anfallenden Arbeiten. Er hatte keinen eigenen Antrieb, sondern war faul und hat nichts geleistet.
Sie hat ihre Aufgaben in der heutzutage üblichen Art und Weise erledigt. Sie zeigte eine geringe Arbeitsmoral und fehlte häufig krankheitsbedingt.
Sie war stets bestrebt, ihren Aufgaben gerecht zu werden. Sie hat sich stets sehr bemüht, war aber erfolglos.
Er widmete sich seinen Aufgaben mit besonderer Neigung. Er verzettelt sich und wird mit der Arbeit nicht fertig.
Sie verstand es hervorragend, ihre Aufgaben zu delegieren. Statt sie selbst zu erledigen, hat diese Nicht-Führungskraft die Arbeiten weitergeschoben.
Er hat die Aufgaben zu seinem und im Firmeninteresse gelöst. Er ist wegen Unkorrektheiten aufgefallen.
Er hat nie Anlass zu Klagen gegeben. Allerdings gab er auch nie Anlass zu Lob.
Sie war als umgängliche Mitarbeiterin bekannt. Sie ging vielen Mitarbeitern mit ihrer Art auf die Nerven.
Sie war sehr tüchtig und in der Lage, ihre eigene Meinung zu vertreten. Sie hat eine hohe Meinung von sich und vermag hiervon ausgehend sachliche Kritik nicht zu akzeptieren.
Er verfügt über Fachwissen und hat ein gesundes Selbstvertrauen. Er klopft große Sprüche, um mangelndes Fachwissen zu überspielen.
Mit seinen Vorgesetzten ist er gut zurechtgekommen. Er ist ein Mitläufer, der sich gut anpasst.
Sein Verhalten zu den Mitarbeitern war stets einwandfrei. Sein Verhalten zu den Vorgesetzten war dies wohl nicht.
Er war sehr tüchtig und wusste sich gut zu verkaufen. Er war ein unangenehmer Zeitgenosse und Wichtigtuer, dem es an Kooperationsbereitschaft fehlte.
Sie ist eine anspruchsvolle und kritische Mitarbeiterin. Sie war eigensüchtig, pocht anderen ggü. auf ihre Rechte und nörgelt gerne.
Wir lernten sie als umgängliche Kollegin kennen. Viele Mitarbeiter sahen sie lieber von hinten als von vorn.
Im Kollegenkreis galt er als toleranter Mitarbeiter. Für Vorgesetzte war er ein schwerer Brocken.
Sein Verhalten zu Vorgesetzten und Arbeitskollegen war ohne Tadel. Sein Verhalten ggü. den genannten Personenkreisen war aber auch ohne Lob.
Durch sein...

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