Rz. 128

Ein qualifiziertes Zeugnis muss sich auf die Beurteilung von "Verhalten und Leistung" (§ 109 Abs. 1 S. 3 GewO) erstrecken. Durch diese beiden weiteren Grundelemente unterscheidet es sich vom sog. einfachen Zeugnis. Der Arbeitgeber entscheidet allein, welche Leistungen und Eigenschaften seines Arbeitnehmers er mehr hervorheben oder zurücktreten lassen will (BAG v. 12.8.2008 – 9 AZR 632/07, NZA 2008, 1349). Das Zeugnis muss nur wahr sein und darf auch dort keine Auslassungen enthalten, wo der Leser eine positive Hervorhebung erwartet, wie etwa die Ehrlichkeit eines Kassierers (BAG v. 29.7.1971, AP Nr. 6 zu § 630 BGB m. Anm. Schnorr von Carolsfeld = EzA § 630 BGB Nr. 1). Herausragende Erfolge wie bspw. Patente oder technische Verbesserungsvorschläge sind stets im Zeugnis zu erwähnen.

 

Rz. 129

Unter Leistung ist die berufliche Verwendbarkeit des Arbeitnehmers zu verstehen; sie umfasst sechs Hauptmerkmale (LAG Hamm v. 1.12.1994, LAGE § 630 BGB Nr. 28 = EzBAT § 61 BAT Nr. 25; LAG Hamm v. 11.7.1996 – 4 Sa 1285/95, n.v.; LAG Hamm v. 27.2.1997, NZA-RR 1998, 151):

Arbeitsbereitschaft,
Arbeitsbefähigung,
Arbeitsweise,
Arbeitsvermögen,
Arbeitsergebnis,
Arbeitserwartung,

bei Vorgesetzten auch die sog. Führungsleistung.

 

Rz. 130

Der Gesetzgeber sieht dies ähnlich, denn in der Begründung zu § 109 Abs. 1 GewO heißt es, die Beschreibung der Leistung sollte bspw. Angaben über Fähigkeiten, Kenntnisse, Fertigkeiten, Geschicklichkeit und Sorgfalt sowie Einsatzfreude und Einstellung zur Arbeit einbeziehen (BT-Drucks 14/8796, 25). Die Hauptmerkmale der Leistungsbeurteilung in einem Zeugnis greifen ineinander. Die Einzelheiten müssen stets berufsbezogen sein.

 

Rz. 131

 

Beispiele

So sind bei einem Werbefachmann Angaben zur Kreativität, bei einem Konstrukteur zu seinem Spezialgebiet, zur schöpferischen Begabung und zum Innovationsvermögen, bei Journalisten über die Frage der Sorgfalt des Recherchierens und der Fähigkeit des Redigierens notwendig. Bei einem Außendienstmitarbeiter ist anzugeben, ob er erfolgreich war. Bei einem Facharbeiter ist zwar auch anzugeben, ob er die ihm übertragenen Arbeiten sorgfältig und gewissenhaft erledigt hat, jedoch reicht die Beurteilung der Arbeitsweise, also des Arbeitseinsatzes, allein nicht für eine ordnungsgemäße Leistungsbeurteilung aus. Es ist vielmehr eine zusammenfassende Leistungsbeurteilung vorzunehmen. Gleiches gilt für die Beurteilung eines kaufmännischen Angestellten.

a) Arbeitsbefähigung (Können)

 

Rz. 132

Die Arbeitsbefähigung ist eines der Grundelemente des qualifizierten Zeugnisses und umfasst die Beschreibung der Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnisse des Arbeitnehmers, also sein Können. Hierbei sind zunächst seine Fachkenntnisse, nämlich Umfang, Differenziertheit und Aktualität der bei der Bewältigung der im Aufgabenbereich anfallenden Arbeit gezeigten Kenntnisse, zu würdigen.

 

Rz. 133

Geistige Beweglichkeit (Vielseitigkeit, Wendigkeit) nennt man die Fähigkeit, sich von bestimmten Denk- und Handlungsgewöhnungen oder Aufgabenbereichen zu lösen und sich auf andere Anforderungen und Bedingungen flexibel einzustellen. Geschicklichkeit und Fingerfertigkeit sind das manuelle Gegenstück dazu. Ferner sind hier Spezialkenntnisse oder besondere Fertigkeiten des Arbeitnehmers zu erwähnen.

 

Rz. 134

Es ist all das zu beurteilen, worauf in den jeweiligen Berufskreisen nach dem Berufsbild besonders abgestellt wird. Hier kann sich der Arbeitgeber an den Kriterien der Stellenausschreibung und des Anforderungsprofiles für den Stelleninhaber orientieren. Es ist in diesem Punkte auch anzugeben, ob der Arbeitnehmer in der Lage ist, aufgenommene Anleitungen richtig in eigene Taten umzusetzen. Dies lässt Rückschlüsse auf seine Berufserfahrung zu.

b) Arbeitsbereitschaft (Wollen)

 

Rz. 135

Bei der Arbeitsbereitschaft als eines der Grundelemente des qualifizierten Zeugnisses wird das Wollen beurteilt. Dazu gehören auch Angaben darüber, ob sich jemand über Gewohnheiten und Routine hinwegsetzt. Immer, wenn es darum geht, neue bzw. unbekannte Ziele zu verfolgen, dann ist diese Arbeits- oder Einsatzbereitschaft gefragt. In einigen Berufen ist es sehr wichtig, dass neue Impulse schnell aufgenommen und in Aktion umgesetzt werden. Gute Auffassungsgabe zeigt sich in der Fähigkeit, den wesentlichen Gehalt eines (neuen) Sachverhaltes schnell und differenziert zu erfassen.

 

Rz. 136

Bei einem ungelernten Arbeiter ist das höchste Gut seine Schaffenskraft, die sich vor allem in seiner Arbeitsbereitschaft und -weise zeigt. Diese sind in seinem Zeugnis besonders auszudrücken. Bei der Verfolgung neuer bzw. unbekannter Ziele ist neben der Bewertung der Belastbarkeit eine Würdigung der Arbeits- und Einsatzbereitschaft, mithin des Wollens gefragt. Es geht darum, ob der Arbeitnehmer willens ist, sich bei auftretenden Schwierigkeiten sowie ansteigendem Arbeitsanfall zu behaupten und durchzusetzen oder ob er lieber gleich die Segel streicht.

 

Rz. 137

Im Zeugnis ist zu beurteilen, wie es mit der Einsatzfreude des Arbeitnehmers steht. Diese gibt an, wie schnell der Arbeitnehmer bereit ist, se...

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