Rz. 122

Verstöße gegen den deutschen ordre public wurden in den nachfolgenden Fällen festgestellt:

Diskriminierung von Angehörigen des Erblassers, von Gesetzes wegen, aufgrund ihres Geschlechts
Diskriminierung der Erben aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit
Vollständiger Ausschluss eines "ungläubigen Kindes und der Ehefrau" von der Erbfolge.[269]

Weitere Fälle sind die gesetzliche Versagung jeglichen Erbrechts bzw. der Ausschluss von der Erbfolge aufgrund von Diskriminierung.[270]

Des Weiteren geht man zwischenzeitlich auch dann von einem ordre public-Verstoß aus, wenn eine Erbrechtsordnung überhaupt keinen Pflichtteil oder Noterbenrecht kennt, ohne dass es anderweitige gesetzliche Ansprüche gegen den Erben zur Unterhaltssicherung gibt. Fällt eine enterbte Person aus diesem Grund in die staatliche Fürsorge (Sozialhilfe), so geht man von einem ordre public-Verstoß aus.[271] Darüber hinaus hat das BverfG festgestellt, dass die Mindestbeteiligung am Nachlass Grundrechtscharakter nach Art. 14 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG hat, soweit es um die leiblichen Abkömmlinge eines Erblassers geht.[272] Aktuellster Fall, in welchem einem leiblichen Abkömmling der Pflichtteil auf Grundlage deutschen Rechts zugesprochen wurde, ist ein Fall, bei welchem sich der Testator mittels Rechtswahl in das englische Recht wählte, wissend, dass es dort keinen Pflichtteil gibt. Der BGH bejahte zunächst einen starken Inlandsbezug und sah in der Rechtswahl und der vollständigen Pflichtteilsversagung nach englischem Recht einen Verstoß gegen den Deutschen ordre public und hob die Entscheidung des OLG Köln entsprechend auf. Dabei führte der BGH aus, dass das englische Recht zu der nach deutschem Recht verfassungsrechtlich verbürgten Nachlassverteilung in einem so schwerwiegenden Widerspruch steht, dass dessen Anwendung im diesem konkreten Fall untragbar war. Dies wiederum habe zur Folge, dass es hier keine Anwendung findet.[273]

[270] Mörsdorf, in: Prütting/Wegen/Weinreich, Art. 6 EGBGB Rn 20.
[271] Klingelhöffer, ZEV 1996, 258, 259, Gruber, ZEV 2001, 463, 468.
[273] BGHZ 234,166; NJW 2022,2547; DNotZ 2023,37.

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