1. Grundsätzliches

 

Rz. 36

Die der Erbschaftsteuer unterliegenden Vorgänge sind im Gesetz genau bezeichnet. § 1 Abs. 1 ErbStG nennt insgesamt vier steuerpflichtige Tatbestände, nämlich·

den Erwerb von Todes wegen,
die Schenkungen unter Lebenden,
die Zweckzuwendungen und
das Vorhandensein von Vermögen einer Familienstiftung oder eines Familienvereins im Abstand von jeweils 30 Jahren.

2. Erwerbe von Todes wegen

 

Rz. 37

Die steuerpflichtigen Erwerbe von Todes wegen ergeben sich aus § 3 ErbStG, der insoweit eine abschließende Aufzählung enthält.

a) Erwerb durch Erbanfall

aa) Gesetzliche und testamentarische Erbfolge

 

Rz. 38

Gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 ErbStG gilt als Erwerb von Todes wegen der Erwerb durch Erbanfall (§ 1922 BGB). Dessen Umfang bestimmt sich nach zivilrechtlichen Maßstäben. Gelangen mehrere Personen gemeinsam zur Erbfolge (Miterben), so wird nicht etwa die Erbengemeinschaft insgesamt besteuert, sondern vielmehr jeder einzelne Miterbe (Erbanfallsteuer). Die gesamthänderische Beteiligung am Nachlass wird nach § 39 Abs. 1 Nr. 2 AO entsprechend den Erbquoten den einzelnen Miterben (wie Bruchteilseigentum) zugewiesen.

 

Rz. 39

Für die Bestimmung der Erbquoten ist ein etwa vorliegender Erbschein für die Finanzbehörden grundsätzlich bindend.[47] Abweichungen vom Erbscheinsinhalt kommen nur bei Vorliegen wichtiger Gründe in Betracht.[48]

Bei deren Vorliegen sind die Finanzbehörden jedoch verpflichtet, das Erbrecht bzw. die Erbquoten selbstständig zu ermitteln.[49]

 

Rz. 40

Im Übrigen sind im Rahmen der Besteuerung auch die gesetzlichen Ausgleichungspflichten nach §§ 2050 ff. BGB zu berücksichtigen.[50] Maßgeblich für die Besteuerung ist die Beteiligung der jeweiligen Miterben am sog. Ausgleichungsnachlass.

 

Rz. 41

Soweit der Erblasser eine letztwillige Verfügung hinterlassen hat, richtet sich die Erbfolge in erster Linie nach deren Inhalt. Dieser ist dann auch für die Besteuerung maßgeblich. Hat der Erblasser Vor- und Nacherbschaft angeordnet, ist auch der Erwerb des Nacherben bei Eintritt des Nacherbfalls gem. § 2139 BGB als Erwerb von Todes wegen i.S.v. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG zu qualifizieren.[51] Dies gilt ungeachtet der für die Art und Weise der Besteuerung bestehenden Sonderregelungen in § 6 ErbStG.

 

Rz. 42

Soweit es an einer wirksamen letztwilligen Verfügung fehlt, stellt sich die Frage, ob und inwieweit auch unwirksame letztwillige Verfügungen für die Besteuerung maßgeblich sein können. Die Rechtsprechung geht diesbezüglich davon aus, dass die Unwirksamkeit nach § 41 Abs. 1 AO unerheblich ist, soweit die Beteiligten die Verfügung verwirklichen.[52] In dem Umfang, in dem eine unwirksame letztwillige Verfügung von den Beteiligten tatsächlich durchgeführt, also der Verteilung bzw. Auseinandersetzung zugrunde gelegt wird, ist sie auch steuerrechtlich zu berücksichtigen.[53] Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass überhaupt eine Verfügung von Todes wegen vorliegt (und die Beteiligten sich nicht unabhängig vom Erblasserwillen miteinander einigen). Insoweit können auch mündliche Erklärungen des Erblassers als (selbstverständlich unwirksame) Verfügungen von Todes wegen in Betracht kommen.[54] Dies gilt selbst dann, wenn sich der Erblasser der Unwirksamkeit seiner Verfügung bewusst war.[55]

bb) Erbvergleich

 

Rz. 43

Auch sog. Erbvergleiche, also Einigungen unter den (tatsächlichen oder präsumtiven) Rechtsnachfolgern können der Besteuerung zugrunde zu legen sein. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass durch den Erbvergleich eine Ungewissheit über die tatsächlich bestehende Erbrechtslage beseitigt wird.[56] Dient der Vergleich demgegenüber lediglich einer einvernehmlichen Abänderung des eigentlichen Erblasserwillens, werden also durch ihn nur an und für sich unzweifelhafte Anordnungen abgeändert, so kommt eine steuerliche Anerkennung nicht in Betracht.[57] Ebenfalls unbeachtlich sind Vergleiche unter Miterben, durch die lediglich die Art und Weise der Erbauseinandersetzung geregelt wird, nicht jedoch der Umfang der jeweils bestehenden Erbrechte.[58] Dasselbe gilt auch für Vergleiche über nur "simulierte Meinungsverschiedenheiten".[59] Im Übrigen können Vereinbarungen unter Miterben, die zu einer Umverteilung des Nachlassvermögens führen, ihrerseits freigebige Zuwendungen unter den Miterben darstellen.[60]

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