1. Allgemeines

 

Rz. 8

Die persönliche Steuerpflicht ist in § 2 ErbStG geregelt. Hier wird die Frage beantwortet, welche der in § 1 ErbStG bezeichneten Vorgänge der deutschen Erbschaftsteuer unterliegen. Ähnlich wie bei anderen Steuerarten wird auch bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht unterschieden. Die Beschränktheit der Steuerpflicht bezieht sich dabei auf den Umfang des Vermögensanfalls. Während die unbeschränkte Steuerpflicht grundsätzlich den gesamten Vermögensanfall umfasst, also unabhängig vom Lageort der einzelnen übergegangenen Vermögensgegenstände ist, erstreckt sich der Umfang der Besteuerung bei der beschränkten Steuerpflicht nur auf das so genannte Inlandsvermögen (§ 121 BewG).

Zur Anpassung des ErbStG an das zum 1.1.2024 in Kraft tretende MoPeG[6] soll[7] ein neuer § 2a ErbStG eingeführt werden, der die dann rechtsfähige GbR (§§ 706 ff. BGB nF) für erbschaft- und schenkungsteuerliche Zwecke als Gesamthand definiert bzw. fingiert.[8] So wird die künftige Anwendung der BFH-Rechtsprechung zur transparenten Behandlung der (aller) Personengesellschaften im Bereich des ErbStG[9] ermöglicht bzw. gesetzlich abgesichert. Steuerpflichtige sind die Gesellschafter, nicht etwa die Personengesellschaft (selbst).

[6] Gesetz vom 10.8.2021, BGBl. I 2021, 3436.
[7] Ebenfalls zum 1.1.2024.
[8] Vgl. Art. 35 des Regierungsentwurfs zum Wachstumsbeschleunigungsgesetz, BR-Drucks. 433/23 (8.9.2023).

2. Unbeschränkte Steuerpflicht

a) Inländischer Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt

 

Rz. 9

§ 2 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 ErbStG knüpft die unbeschränkte Steuerpflicht an die Inländereigenschaft des Erblassers, des Schenkers oder des Erwerbers. Maßgeblich ist insoweit der Zeitpunkt der Entstehung der Steuer, der sich nach § 9 ErbStG richtet. Inländer ist gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 ErbStG jede natürliche Person, die im Inland einen Wohnsitz (§ 8 AO) oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt (§ 9 AO) hat. Die Staatsangehörigkeit ist insoweit zunächst unbeachtlich. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung wird ein Wohnsitz im Sinne von § 8 AO nicht erst dadurch begründet, dass eine Wohnung ständig genutzt wird und gleichzeitig die Absicht besteht, in ihr einen Wohnsitz zu haben.[10] Vielmehr ist der steuerrechtliche Wohnsitzbegriff weitgehend objektiviert und stellt daher auf äußerliche Merkmale ab, deren Vorliegen als Indiz für die subjektiven Absichten des Steuerpflichtigen anzusehen sind.[11]

 

Rz. 10

Gerade vor dem Hintergrund, dass eine Person ohne Weiteres gleichzeitig mehrere Wohnsitze sowohl im In- als auch im Ausland besitzen kann,[12] sind die Anforderungen an die Begründung bzw. das Beibehalten eines inländischen Wohnsitzes sowohl nach Verwaltungsauffassung als auch aus der Sicht der Rechtsprechung eher gering.[13] So hat der BFH in einer viel zitierten Entscheidung eine im Eigentum des Steuerpflichtigen stehende Doppelhaushälfte, die nur wenige Wochen im Jahr (dies aber regelmäßig) zu Jagdaufenthalten genutzt wurde, als inländischen Wohnsitz angesehen.[14] Hat einer von zwei Ehegatten eine inländische Wohnung, gilt diese – jedenfalls bei intakter Ehe –auch als inländischer Wohnsitz des anderen Ehegatten.[15]

 

Rz. 11

Soweit ein Wohnsitz im Inland nicht besteht, kann die unbeschränkte Steuerpflicht durch das Vorliegen eines gewöhnlichen Aufenthalts im Sinne von § 9 AO eintreten. Insoweit setzt das Gesetz voraus, dass sich jemand an einem Ort unter solchen Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Ein zusammenhängender Aufenthalt von mehr als sechs Monaten ist grundsätzlich ausreichend. Regelmäßig wiederkehrende Kur- oder Erholungsaufenthalte sind grundsätzlich nicht geeignet, einen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland zu begründen.[16] Dies gilt selbst bei Aufenthalten von mehr als sechs Monaten, wenn diese ausschließlich zu Besuchs-, Erholungs-, Kur- oder ähnlichen privaten Zwecken unternommen werden und nicht länger als ein Jahr dauern (§ 9 S. 3 AO).

 

Rz. 12

Nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 S. 1 ErbStG könnte man den Eindruck gewinnen, die Inländereigenschaft des Erblassers/Schenkers sowie des Erwerbers führten im selben Umfang zur unbeschränkten Steuerpflicht. Insoweit ist der Wortlaut des Gesetzes jedoch irreführend. Tatsächlich führen Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt des Erblassers/Schenkers grundsätzlich zur unbeschränkten Steuerpflicht hinsichtlich des gesamten Vermögensübergangs, und zwar unabhängig davon, wer Erwerber ist und ob dieser oder einer von ihnen ebenfalls Inländer ist. Soweit der Erblasser/Schenker nicht Inländer im oben beschriebenen Sinne ist, wird aber nur derjenige Erwerber als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt, in dessen Person die Inländereigenschaft vorliegt. Mithin wird, wenn nur einer von mehreren Erwerbern, nicht aber der Erblasser Inländer ist, lediglich der auf den inländischen Erwerber entfallene Teil von der unbeschränkten Steuerpflicht erfasst. Der Begriff "gesamter Vermögensanfall" in § 2 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 ErbS...

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