aa) Begriff des Familienheims

 

Rz. 275

Als Familienheim kommen grundsätzlich dieselben Objekte in Betracht wie auch für Übertragungen unter Lebenden. Allerdings genügt hier nicht allein die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken durch die Eheleute/Lebenspartner. Die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4d ErbStG kommt vielmehr nur in Betracht, "soweit der Erblasser … bis zum Erbfall eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat oder bei der er aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert war". Des Weiteren muss auch der Erwerber das Begünstigungsobjekt unverzüglich nach dem Erbfall selbst zu eigenen Wohnzwecken nutzen.

 

Rz. 276

Unschädlich ist allein eine fehlende Selbstnutzung, die darauf beruht, dass der Erblasser oder später der überlebende Ehegatte aus objektiv zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung gehindert ist.[402] Derartige objektiv zwingende Gründe liegen aus der Sicht der Finanzverwaltung im Falle einer Pflegebedürftigkeit vor, die die Führung eines eigenen Haushalts nicht mehr zulässt. Andere Gründe, zum Beispiel eine berufliche Versetzung oder der Wunsch, den Lebensabend bei einem Kind zu verbringen, genügen demgegenüber nicht.[403]

 

Rz. 277

Zusätzlich zur Wohn-Nutzung durch den Erblasser bilden aber auch die Nutzungsabsichten des erwerbenden Ehegatten bzw. Lebenspartners ein Tatbestandsmerkmal für die Qualifikation als Familienheim. Denn nur wenn das in Rede stehende Objekt "beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt ist", liegt tatsächlich ein Familienheim i.S.v. § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG vor. Demzufolge muss der überlebende Ehegatte bzw. Lebenspartner in der erworbenen Wohnung "ohne schuldhaftes Zögern" die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken aufnehmen.[404]

[402] Vgl. R E 13.4 Abs. 2 S. 2 ErbStR 2019; ähnlich bereits: Begründung des Finanzausschusses zu d – neu – (Nr. 4b – neu – und Nr. 4c – neu –), abgedr. In Hübner, Erbschaftsteuerreform 2009, S. 179.
[403] Vgl. insoweit R E 13.4 Abs. 2 S. 3 ErbStR 2019.

bb) Umfang der Begünstigung

 

Rz. 278

Auch im Bereich von § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG erfolgt keine Angemessenheitsprüfung. Begünstigt sind daher Familienheime jeglicher Größenordnung.

 

Rz. 279

Soweit ein Familienheim steuerfrei erworben wird, sind die mit diesen im wirtschaftlichen Zusammenhang stehenden Schulden und Lasten gemäß § 10 Abs. 6 ErbStG nicht abzugsfähig, können als Nachlassverbindlichkeiten also nicht berücksichtigt werden.

cc) Weitergabeverpflichtungen

 

Rz. 280

Die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung ist von vornherein ausgeschlossen, soweit der überlebende Ehegatte bzw. Lebenspartner aufgrund letztwilliger Anordnungen des Erblassers verpflichtet ist, das – grundsätzlich begünstigungsfähige – Familienheim an einen Dritten weiterzugeben oder eine solche Weitergabe im Rahmen der Erbauseinandersetzung später vereinbart wird (§ 13 Abs. 1 Nr. 4b S. 2 und 3 ErbStG). Erfasst werden hier also sowohl die Fälle, in denen aufgrund von Vermächtnis- oder Teilungsanordnungen des Erblassers eine Weitergabe erfolgt, als auch diejenigen, in denen im Rahmen der Erbauseinandersetzung eine freie Vermögenszuordnung vorgenommen wird, auf deren Grundlage der überlebende Ehegatte bzw. Lebenspartner sich des Eigentums am Familienheim begibt.

 

Rz. 281

Da § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG grundsätzlich darauf abzielt, denjenigen zu begünstigen, der das Familiengebrauchsvermögen in Form des Familienheims schlussendlich, also unabhängig von der Art und Weise der Abwicklung des Erbfalls, erhält, wird der überlebende Ehegatte/Lebenspartner im Falle der Weitergabe des Familienheims nicht begünstigt. Vielmehr kommt in diesen Fällen eine Begünstigung des Letzterwerbers in Betracht, soweit es sich bei diesem um einen nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG erfassten Abkömmling handelt.

dd) Behaltensfrist

 

Rz. 282

Gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4b S. 2 ErbStG steht die Steuerbefreiung des Familienheims unter einem Nachsteuervorbehalt. Der überlebende Ehegatte bzw. Lebenspartner ist daher verpflichtet, das erworbene Familienheim für die Dauer von zehn Jahren, beginnend mit dem Erbfall, zu behalten und die Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken nicht aufzugeben. Die Aufgabe der Selbstnutzung aus zwingenden Gründen ist jedoch unschädlich. Objektiv zwingende Gründe liegen jedenfalls dann vor, wenn der überlebende Ehegatte pflegebedürftig wird und sein Gesundheitszustand die Führung eines eigenen Haushalts nicht mehr zulässt.[405] Begünstigungsunschädlich ist auch die Beendigung der Selbstnutzung durch den Tod des überlebenden Ehegatten/Lebenspartners. Dieser führt nie zu einer Nachversteuerung.[406] Gleiches gilt für den Fall der vollständigen Zerstörung durch Naturkatastrophen.[407]

 

Rz. 283

Soweit der Erwerber die Selbstnutzung des Familienheims (als Eigentümer) – ohne objektiv zwingende Gründe – innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren durch Verkauf, Vermietung, längeren Leerstand oder unentgeltliche Überlassung aufgibt, entfällt ...

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