Rz. 35

Aufgrund der Umstellung durch das 2. KostRMoG von einer ermäßigten Rahmengebühr nach Nr. 2301 VV a.F. bei Vorbefassung auf eine Gebührenanrechnung war in § 35 RVG eine ergänzende Regelung für die Fälle erforderlich, in denen sich die Gebühren in einer dem Nachprüfungsverfahren (Einspruchsverfahren) vorangehenden anwaltlichen Tätigkeit nicht nach dem RVG richten, sondern gem. § 35 Abs. 1 RVG nach der StBVV.

 

Rz. 36

Diese Regelung findet sich in § 35 Abs. 2 S. 1 RVG. Danach ist eine Gebühr nach §§ 23, 24 oder 31 StBVV anzurechnen wie eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV. Eine solche Gebühr wird also hälftig angerechnet, höchstens zu einem Satz von 0,75 (Vorbem. 2.3 Abs. 4 S. 1 VV).

 

Rz. 37

Da der Gegenstandswert nach der StBVV im Verwaltungsverfahren (Besteuerungsverfahren) i.d.R. höher ist als der Gegenstandswert nach dem RVG im Nachprüfungsverfahren, ordnet § 35 Abs. 2 S. 2 RVG ergänzend an, dass die Gebühr nach der StBVV nur nach dem geringeren Wert der nachfolgenden Geschäftsgebühr anzurechnen ist.

 

Beispiel 10: Anrechnung einer Gebühr nach der StBVV auf nachfolgende Geschäftsgebühr

Der Anwalt hatte für den Mandanten die Erbschaftssteuererklärung (Wert des Nachlasses: 150.000,00 EUR) erstellt und beim Finanzamt eingereicht. Es ist ein Erbschaftssteuerbescheid über 4.000,00 EUR ergangen. Dagegen legt der Anwalt auftragsgemäß Einspruch ein.

Für das Besteuerungsverfahren erhält der Anwalt eine Gebühr nach § 35 RVG i.V.m. § 24 Abs. 1 Nr. 12 StBVV aus der Tabelle A der StBVV (Anlage 1 zur StBVV). Der Gegenstandswert richtet sich nach Anm. zu § 24 Abs. 1 Nr. 12 StBVV und beläuft sich auf den Wert des Nachlasses.

Im Einspruchsverfahren greift die Verweisung des § 35 RVG nicht, da auf § 40 StBVV nicht Bezug genommen wird. Der Anwalt erhält daher eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV. Maßgebend ist jetzt gem. § 23 Abs. 1 S. 3 RVG i.V.m. § 52 Abs. 1, 3 GKG der Wert der angegriffenen Steuerforderung, hier also 4.000,00 EUR.

Anzurechnen ist jetzt noch die Gebühr des § 24 Abs. 1 Nr. 12 StBVV zur Hälfte (Vorbem. 2.3. Abs. 4 S. 1 VV), und zwar aus dem Wert der Steuerforderung (§ 35 Abs. 2 S. 2 RVG).

Ausgehend jeweils von den Mittelgebühren ergibt dies folgende Berechnung:

 
I. Besteuerungsverfahren    
1. 6/10-Gebühr, § 35 RVG i.V.m. § 24 Abs. 1 Nr. 12 StBVV   1.118,40 EUR
  (Wert: 150.000,00 EUR)    
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.138,40 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   216,30 EUR
Gesamt   1.354,70 EUR
II. Einspruchsverfahren    
1. 1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV   417,00 EUR
  (Wert: 4.000,00 EUR)    
2. gem. § 35 Abs. 2 RVG i.V.m. Vorbem. 2.3 Abs. 4 S. 1 VV anzurechnen, 3/10 aus 4.000,00 EUR nach Anlage 1 Tabelle A StBVV   – 86,40 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 350,60 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   66,61 EUR
Gesamt   417,21 EUR
 

Rz. 38

Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass nach der StBVV mehrere Gebühren nacheinander anfallen können. In diesem Fall sollen alle Gebühren hälftig angerechnet werden, indem die Summe der Gebühren hälftig angerechnet wird (§ 35 Abs. 2 S. 2 RVG).

 

Beispiel 11: Anrechnung mehrerer aufeinander folgender Gebühren nach der StBVV auf nachfolgende Geschäftsgebühr

Der Anwalt hatte für den Mandanten eine Körperschaftssteuererklärung erstellt (Wert: 120.000,00 EUR) und insoweit mit dem Finanzamt eine Besprechung geführt. Es ist ein Steuerbescheid ergangen. Dagegen legt der Anwalt auftragsgemäß Einspruch ein, da die Steuerforderung nach Auffassung des Mandanten um 3.000,00 EUR zu hoch angesetzt ist.

Für das Besteuerungsverfahren erhält der Anwalt eine Gebühr nach § 35 RVG i.V.m. § 24 Abs. 1 Nr. 3 StBVV (2/10 bis 8/10) sowie eine weitere Gebühr für die Besprechung nach § 31 StBVV (5/10 bis 10/10). Der Gegenstandswert richtet sich nach Anm. zu § 24 Abs. 1 Nr. 3 StBVV.

Anzurechnen ist jetzt das gesamte Gebührenaufkommen (§ 35 Abs. 2 S. 1 RVG), allerdings auch hier nur aus dem übergegangenen Wert in Höhe von 4.000,00 EUR (§ 35 Abs. 2 S. 2 RVG).

Ausgehend jeweils von den Mittelgebühren ergibt dies folgende Berechnung:

 
I. Besteuerungsverfahren    
1. 5/10-Gebühr, § 35 RVG i.V.m. § 24 Abs. 1 Nr. 3 StBVV   841,50 EUR
  (Wert: 120.000,00 EUR)    
2. 7,5/10-Gebühr, § 35 RVG i.V.m. § 31 StBVV   1.262,25 EUR
  (Wert: 120.000,00 EUR)    
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 2.123,75 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   403,51 EUR
Gesamt   2.527,26 EUR
II. Einspruchsverfahren    
1. 1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV   417,00 EUR
  (Wert: 4.000,00 EUR)    
2. gem. § 35 Abs. 2 RVG i.V.m. Vorbem. 2.3 Abs. 4 S. 1 VV anzurechnen, (12,5/10 : 2 =) 6,25/10 aus 4.000,00 EUR nach Anlage 1 Tabelle A StBVV   – 180,00 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 257,00 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   48,83 EUR
Gesamt   305,83 EUR
 

Rz. 39

Zu beachten ist auch hier die Begrenzung der Anrechnung auf 0,75 nach Vorbem. 2.3 Abs. 4 S. 1 VV, wenn die Summe der Gebühren nach der StBVV üb...

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