Rz. 8

Für bestimmte außergerichtliche Tätigkeiten in Steuersachen gilt nach § 35 RVG die StBVV entsprechend. Insoweit sind die Gebührentatbestände nach Teil 2 VV ausgeschlossen (Vorbem. 2 Abs. 1 VV). Die Regelungen der anderen Teile des VV sind dagegen anzuwenden, also z.B. auch die Einigungsgebühr nach Nr. 1000 Nr. 1 VV sowie die Auslagen nach Teil 7 VV.

 

Rz. 9

Soweit die StBVV besondere Regelungen zum Gegenstandswert enthält, gehen diese gem. § 35 RVG ebenfalls den Vorschriften des RVG (§§ 23 ff. RVG) vor.

 

Rz. 10

Unklar ist hier lediglich, ob auch hier die Begrenzung des Gegenstandswerts nach § 22 Abs. 2 RVG gilt. Dies wird man zutreffenderweise verneinen müssen.[6]

 

Rz. 11

Erbringt der Anwalt Hilfeleistungen bei der Erfüllung allgemeiner Steuerpflichten und bei der Erfüllung steuerlicher Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten, so sind nach § 35 RVG die Gebührentatbestände der §§ 23 bis 39 StBVV i.V.m. den §§ 10 und 13 StBVV entsprechend anzuwenden. Soweit diese anzuwenden sind, kommen Gebühren nach Teil 2 VV nicht in Betracht (Vorbem. 2 Abs. 1 VV).

 

Rz. 12

Auch wenn vorrangig die StBVV gilt und die Gebührentatbestände nach Teil 2 VV insoweit ausgeschlossen sind, bedeutet dies nicht, dass insgesamt das RVG nicht gelte, was sich schon aus dem Umkehrschluss zu Vorbem. 2 Abs. 1 VV ergibt. Die sonstigen Regelungen des RVG bleiben anwendbar, so insbesondere die Vorschriften über eine Vergütungsvereinbarung (§§ 3a ff. RVG), zur Fälligkeit (§ 9 RVG), zur Form der Abrechnung (§ 10 RVG), zur Bestimmung von Rahmengebühren (§ 14 RVG) etc.

 

Rz. 13

Anzuwenden sind auch Vergütungstatbestände außerhalb Teil 2 VV, also die Allgemeinen Gebühren nach Teil 1 VV (Nrn. 1000 ff. VV).[7] Der Anwalt kann daher eine Einigungsgebühr nach Nr. 1000 Nr. 1 VV verdienen. Eine Erledigungsgebühr kommt dagegen tatbestandlich nicht in Betracht, da diese Vorschrift ein Rechtsbehelfsverfahren voraussetzt.

 

Rz. 14

Eine Gebührenerhöhung bei Vertretung mehrerer Auftraggeber bei der Hilfeleistung in Steuersachen kommt nicht in Betracht, da die StBVV eine solche Erhöhung nur in Rechtsbehelfsverfahren vor den Verwaltungsbehörden kennt (§§ 6, 40 Abs. 5 S. 1 StBVV). Die Anwendung der Nr. 1008 VV scheidet tatbestandlich aus, da es sich bei den in § 35 RVG in Bezug genommenen Gebühren der StBVV nicht um Geschäftsgebühren handelt. Der Mehraufwand kann nur im Rahmen des § 14 Abs. 1 RVG/§ 11 Abs. 1 StBVV berücksichtigt werden.

 

Rz. 15

Anzuwenden sind ferner die Auslagentatbestände der Nrn. 7000 ff. VV, da auch insoweit nicht auf die entsprechenden Regelungen der StBVV verwiesen wird.

 

Beispiel 1: Hilfeleistung bei Abgabe einer Steuererklärung

Der Anwalt fertigt für den Mandanten die Erbschaftssteuererklärung (Wert des Nachlasses: 150.000,00 EUR). Es ergeht ein Erbschaftssteuerbescheid über 4.000,00 EUR.

Für die Abgabe der Steuererklärung gilt § 35 RVG i.V.m. § 24 Nr. 12. Hs. 1 StBVV. Der Anwalt erhält eine Gebühr von 2/10–10/10 nach Tabelle A.

Der Gegenstandswert bestimmt sich nach § 24 Nr. 12 Hs. 2 StBVV. Maßgebend ist der Wert des Erwerbs von Todes wegen vor Abzug der Schulden und Lasten, jedoch mindestens 16.000,00 EUR.

Ausgehend von der Mittelgebühr ist daher wie folgt abzurechnen:

 
1. 6/10-Gebühr, § 35 RVG i.V.m. § 24 Nr. 12 StBVV 1.118,40 EUR
  (Wert: 150.000,00 EUR)    
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.138,40 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   216,30 EUR
Gesamt   1.354,70 EUR
 

Rz. 16

 

Beispiel 2: Hilfeleistung bei Abgabe einer Steuererklärung mit Einigung

Der Anwalt fertigt für den Mandanten die Erbschaftssteuererklärung (Wert des Nachlasses: 150.000,00 EUR). Es finden hiernach Verhandlungen mit der Behörde über die Bewertung des Nachlasses statt. Insoweit wird eine Einigung mit dem Finanzamt über den zu versteuernden Nachlasswert erzielt.

Abzurechnen ist wie im vorangegangenen Beispiel; hinzu kommt noch eine 1,5-Einigungsgebühr nach Nr. 1000 Nr. 1 VV.

 
1. 6/10-Gebühr, § 35 RVG i.V.m. § 24 Nr. 12 StBVV 1.118,40 EUR
  (Wert: 150.000,00 EUR)    
2. 1,5-Einigungsgebühr, Nr. 1000 Nr. 1 VV   2.905,50 EUR
  (Wert: 150.000,00 EUR)    
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 4.043,90 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   768,34 EUR
Gesamt   4.812,24 EUR
 

Rz. 17

Wird der Anwalt mit einem Antrag auf Stundung einer Steuerforderung beauftragt, so handelt es sich um eine Einzeltätigkeit, die sich nach § 35 RVG i.V.m. § 23 Nr. 2 StBVV berechnet. Die Gebühren hierfür erhält der Anwalt gesondert neben einer Tätigkeit im Besteuerungs-, Widerspruchs- oder Klageverfahren. Der Anwalt erhält für einen Antrag auf Stundung 2/10 bis 8/10 einer vollen Gebühr nach Tabelle A (Anlage 1 zur StBVV).

 

Beispiel 3: Stundungsantrag

Der Anwalt stellt für den Mandanten einen Antrag auf Stundung der Erbschaftssteuerforderung in Höhe von 20.000,00 EUR.

Gegenstandswert ist das Interesse (§ 10 Abs. 1 StBVV), da die StBVV keine ausdrückliche Wertvorschrift enthält. Hier soll von 1/4 der zu stundenden Forderung ausgegangen werden (5.000,00 EUR)...

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