Rz. 4
Beschwerdegegner kann jeder Staat sein, der die EMRK sowie ggf. entsprechende Zusatzprotokolle ratifiziert hat (siehe Rdn 1).
Die Europäische Union (EU) hat den Schritt der Ratifikation noch nicht vollzogen, sie kann somit gegenwärtig keine taugliche Beschwerdegegnerin sein. Aktuell gelten die Gewährleistungen der EMRK im Rahmen der EU daher lediglich als Rechtserkenntnisquelle und allgemeine Grundsätze des Unionsrechts (Art. 6 Abs. 3 EUV).[37] Zwar sieht Art. 6 Abs. 2 EUV den Beitritt der EU zur EMRK vor. Nachdem aber der EuGH in seinem Gutachten 2/13 vom 18.12.2014 den Entwurf des Beitrittsabkommens für mit den Europäischen Verträgen unvereinbar erklärt hat, ist ein Beitritt der EU zur EMRK in absehbarer Zeit unwahrscheinlich.[38] Im Jahr 2020 wurden die Beitrittsverhandlungen zwischen der EU-Kommission und dem Europarat wieder aufgenommen.[39]
Problematisch sind bis zu einem endgültigen Beitritt insbesondere die Konstellationen, in denen die EU durch ihre eigenen Organe handelt oder Mitgliedstaaten in Erfüllung unionsrechtlicher Pflichten agieren. Für solche Fälle hat der EGMR in der Rechtssache "Bosphorus" entschieden, dass unionsrechtlich vorbestimmte Entscheidungen immer dann als gerechtfertigte Eingriffe in die Rechte der EMRK gelten und a limine als unzulässig abgewiesen werden, solange im Rahmen der EU ein eigenständiger Grundrechtsschutz gewährleistet wird, der im Wesentlichen dem Standard der Konvention entspricht.[40] Sobald der Beitritt der EU zur EMRK vollzogen sein wird, wird diese Rechtsprechung unter Berücksichtigung des Prinzips der Gleichheit der Vertragsparteien wohl aber nicht mehr aufrechtzuerhalten sein.[41]
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