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Der Präsident des EGMR weist eine Individualbeschwerde einer der fünf Sektionen des Gerichts zu (Art. 52 Abs. 1 VerfO). Dort wird die Beschwerde entweder einem Einzelrichter (Art. 27 EMRK), einem aus drei Richtern bestehenden Ausschuss (Art. 28 EMRK) oder der aus sieben Richtern bestehenden Kammer (Art. 29 EMRK) zur Prüfung vorgelegt.

Der Einzelrichter kann die Beschwerde für unzulässig erklären oder aus dem Register streichen, "wenn eine solche Entscheidung ohne weitere Prüfung getroffen werden kann" (Art. 27 Abs. 1 EMRK).[131] Die Entscheidung des Einzelrichters ist endgültig (Art. 27 Abs. 2 EMRK); über sie wird der Beschwerdeführer durch einfachen Brief unterrichtet (Art. 52A Abs. 1 VerfO) (vgl. Rdn 16).

Wenn der Einzelrichter die Beschwerde weder für unzulässig erklärt noch aus dem Register streicht, hat er sie gem. Art. 27 Abs. 3 EMRK, 52A Abs. 3 VerfO an den Dreierausschuss oder an eine Kammer weiterzuleiten. In beiden Fällen fordert ein richterlicher Berichterstatter gem. Art. 49 Abs. 3 lit. a VerfO zusätzliche Auskünfte vom Beschwerdeführer oder vom beklagten Staat an. Der Einzelrichter gibt Beschwerden, die er für offensichtlich begründet hält, typischerweise an einen Ausschuss ab.[132] Grund hierfür ist Art. 28 Abs. 1 lit. b EMRK, wonach der Ausschuss durch einstimmigen Beschluss eine Beschwerde für zulässig und begründet erklären kann. Voraussetzung für eine solche Entscheidung ist, dass die der Beschwerde zugrunde liegende Frage Gegenstand einer gefestigten Rechtsprechung des Gerichtshofs ist.[133] Ferner kann auch der Ausschuss eine Beschwerde für unzulässig erklären oder aus dem Register streichen, wenn er eine solche Entscheidung ohne weitere Prüfung treffen kann. Entscheidungen der Ausschüsse müssen einstimmig ergehen. Sie sind gem. Art. 28 Abs. 2 EMRK endgültig.

Kann auch der Ausschuss nicht abschließend über eine Sache entscheiden, wird diese weiter an die Kammer verwiesen (Art. 29 Abs. 1 EMRK). Diese stellt die Beschwerde zunächst dem betroffenen Vertragsstaat zu (Art. 54 Abs. 2 VerfO).[134] Ab der Zustellung besteht Vertretungszwang (vgl. Rdn 26) sowie die Möglichkeit, Prozesskostenhilfe zu beantragen (vgl. Rdn 35). Die Kammer entscheidet normalerweise gem. Art. 29 Abs. 1 EMRK auf Grundlage der Schriftsätze über Zulässigkeit und Begründetheit, nur in Ausnahmefällen nach mündlicher Verhandlung.[135]

[131] Meyer-Ladewig/Müller-Elschner, in: Meyer-Ladewig/Nettesheim/von Raumer, EMRK Art. 27 Rn 2.
[132] Zu den Befugnissen des Ausschusses: Meyer-Ladewig/Müller-Elschner, in: Meyer-Ladewig/Nettesheim/von Raumer, EMRK, Art. 28 Rn 9 ff.
[133] Egli, ZaöRV (64) 2004, 759, 775.
[134] Erhellend zu diesem Verfahrensabschnitt Leach, Taking a case, Rn 2.82 und 2.84 ff.
[135] Peters/Altwicker, EMRK, S. 279.

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