Rz. 2
Die Individualbeschwerde ähnelt der deutschen Verfassungsbeschwerde. Wie diese dient sie dem Schutz von Individualrechten. Sie ist weder ein ordentlicher Rechtsbehelf noch setzt sie eine Superrevision in Gang.[19] Sie ist grundsätzlich subsidiär, mithin nur nach Erschöpfung der innerstaatlichen Rechtsbehelfe zulässig.[20] Eine positive gerichtliche Entscheidung führt zudem nicht zur automatischen Kassation der angegriffenen nationalen Maßnahmen, sondern beschränkt sich auf die Feststellung einer Konventionsverletzung, ggf. in Verbindung mit einer Anordnung zur Entschädigung gem. Art. 41 EMRK.[21] Gemäß § 580 Nr. 8 ZPO, § 359 Nr. 6 StPO, § 179 Abs. 1 SGG, § 153 Abs. 1 VwGO, § 79 S. 1 ArbGG sowie § 134 FGO besteht in der deutschen Rechtsordnung allerdings die Möglichkeit – jedoch nicht die Verpflichtung – der Wiederaufnahme und damit auch der Rechtskraftdurchbrechung, wenn der EGMR eine Konventionsverletzung festgestellt hat.[22]
Die EMRK sieht keine Zwangsmittel zur Durchsetzung der Entscheidungen des EGMR vor. Vielmehr haben sich die Vertragsstaaten in Art. 46 Abs. 1 EMRK völkerrechtlich dazu verpflichtet, die Entscheidungen des EGMR zu befolgen.[23] Darüber wacht gemäß Art. 46 Abs. 2 EMRK das Ministerkomitee des Europarates. Die Nichtbefolgung einer Entscheidung bedeutet eine (weitere) Konventionsverletzung durch den Vertragsstaat und führt zu der Einleitung sog. infringement proceedings nach Art. 46 Abs. 4 und 5 EMRK.[24]
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