Rz. 1270

Umstritten ist, ob der Arbeitgeber bei der Wiedereinstellung soziale Gesichtspunkte (Alter, Betriebszugehörigkeit, Unterhaltspflichten, Schwerbehinderung) zu berücksichtigen hat, wenn er die Betriebsabteilung nicht wie ursprünglich geplant stilllegt, sondern mit einer geringeren Anzahl von Arbeitsplätzen fortführt. Während das BAG das Gebot der sozialen Auswahl in einem solchen Fall zunächst abgelehnt hat (BAG v. 15.3.1984, AP Nr. 2 zu § 1 KSchG 1969, Soziale Auswahl), hält es den Arbeitgeber nunmehr für verpflichtet, bei der Auswahl der wieder einzustellenden Arbeitnehmer soziale Gesichtspunkte entsprechend § 1 Abs. 3 KSchG zu berücksichtigen (BAG v. 4.12.1997 – 2 AZR 140/97, NZA 1998, 701). Allerdings hat sich das BAG noch nicht endgültig festgelegt, ob es seine frühere Rspr. aufgibt. Es hat allerdings anerkannt, dass die Auswahlentscheidung des Arbeitgebers nicht willkürlich erfolgen darf, sondern in jedem Fall gem. §§ 242, 315 Abs. 1 BGB nach billigem Ermessen zu treffen ist. Sind die betroffenen Arbeitnehmer für eine Weiterbeschäftigung innerhalb des geänderten Unternehmenskonzeptes gleichermaßen geeignet, kann der Arbeitgeber nicht frei wählen, welchem der gekündigten Arbeitnehmer er einen nach wie vor bestehenden Arbeitsplatz anbietet. In jedem Fall muss der Arbeitgeber eine den §§ 242, 315 BGB genügende Auswahlentscheidung unter Abwägung betrieblicher Belange und sozialer Gesichtspunkte vornehmen (BAG v. 28.6.2000 – 7 AZR 904/98, NZA 2000, 1097; LAG Köln v. 13.12.2004, BB 2005, 1860; vom Stein, FS Willemsen, 2018, S. 575, 578). In prozessualer Hinsicht wird man richtigerweise die Darlegungs- und Beweislast in Anlehnung an § 1 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 und S. 3 KSchG abzustufen haben, wenn sich mehrere Arbeitnehmer um eine geringere Zahl von Arbeitsplätzen bewerben (APS/Kiel, § 1 KSchG Rn 761 f.).

 

Rz. 1271

Wendet man die Grundsätze der sozialen Auswahl auch im Fall der Wiedereinstellung der gekündigten Arbeitnehmer an, kann sie sich nur auf vergleichbare, d.h. untereinander austauschbare Arbeitnehmer beziehen. Die soziale Auswahl ist betriebs- und nicht unternehmens- oder konzernbezogen (vgl. BAG v. 27.11.2003 – 2 AZR 48/03, NZA 2004, 477; BAG v. 23.3. 2006 – 2 AZR 162/05, NZA 2007, 30). Unterhält ein Unternehmen bspw. zwei Betriebe mit jeweils eigenständiger Leitung, kann eine soziale Auswahl nur innerhalb des jeweiligen Betriebes stattfinden. Die gekündigten Arbeitnehmer des Betriebes D können also nicht geltend machen, sie müssten wieder eingestellt werden, weil der Betrieb A entgegen der ursprünglich bestandenen Absicht nicht stillgelegt und dort sozial weniger schutzwürdige Arbeitnehmer wieder eingestellt worden seien.

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