I. Sachliche Zuständigkeit

 

Rz. 1

Die Aufgaben des Nachlassgerichts werden grundsätzlich vom Amtsgericht wahrgenommen, §§ 342 ff. FamFG, § 23a Abs. 2 Nr. 2 GVG. In Baden-Württemberg besteht seit dem 1.1.2018 keine Sonderzuständigkeit der staatlichen Notariate mehr.

 

Rz. 2

Das Nachlassgericht ist zuständig bei Nachlass- und bei Teilungssachen, §§ 342 ff. FamFG. Nachlasssachen sind beispielsweise die Verfahren, die

die besondere amtliche Verwahrung von Verfügungen von Todes wegen (§§ 346 f. FamFG),
die Eröffnung von Verfügungen von Todes wegen (§§ 348351 FamFG) oder
die Erteilung von Erbscheinen oder Testamentsvollstreckerzeugnissen (§§ 352 ff. FamFG).

betreffen. Darüber hinaus ist das Nachlassgericht u.a. auch dafür zuständig,

die Ablieferung von Testamenten anzuordnen (§ 358 FamFG),
die Nachlassverwaltung anzuordnen (§ 359 FamFG) oder
eine Inventarfrist zu bestimmen (§ 360 FamFG).

Außerdem ist das Nachlassgericht für die Auseinandersetzung von Nachlässen (Teilungssachen) zuständig, §§ 363 ff. FamFG.

 

Rz. 3

Liegt ein Erbfall mit grenzüberschreitendem Bezug zu einem anderen europäischen Mitgliedstaat – außer Dänemark, Irland und Vereinigtes Königreich – vor, regelt das IntErbRVG[1] die sachliche, funktionelle und örtliche Zuständigkeit deutscher Gerichte, soweit die EuErbVO keine eigenen Regelungen vorsieht. In § 34 Abs. 4 IntErbRVG ist beispielsweise die sachliche Zuständigkeit der Nachlassgerichte für das Europäische Nachlasszeugnis geregelt.

[1] Internationales Erbrechtsverfahrensgesetz (IntErbRVG) vom 29.6.2015 (BGBl I S. 1042). In Kraft getreten am 17.8.2015.

II. Funktionelle Zuständigkeit

 

Rz. 4

Funktionell sind die Aufgaben verteilt auf den Richter und den Rechtspfleger.

Der Richter ist zuständig, wenn ein Testament oder ein Erbvertrag vorliegt. Allerdings kann auch in letzteren Fällen der Rechtspfleger zuständig sein, wenn das betreffende Landesrecht in eigener Gesetzgebungszuständigkeit von der entsprechenden Möglichkeit Gebrauch gemacht hat (beispielsweise wurde in Baden-Württemberg der Richtervorbehalt des § 16 Abs. 1 RPflG teilweise durch § 1 RichtAufgÜV BW 2017 aufgehoben).

Der Rechtspfleger ist zuständig, wenn der Erbschein auf der Grundlage gesetzlicher Erbfolge erteilt werden soll, § 3 Nr. 2 Buchst. c, § 16 Abs. 1 Nr. 6 RPflG. Das bedeutet, dass in der Praxis die weitaus meisten Erbscheine vom Rechtspfleger erteilt werden, was wiederum Bedeutung für die statthaften Rechtsbehelfe im Erbscheinsverfahren hat. Aber auch insoweit können landesrechtlich geregelte Zuständigkeiten für den Rechtspfleger bei testamentarischer bzw. erbvertraglicher Erbfolge zu beachten sein.

Ist ausländisches Recht anzuwenden, so ist immer der Richter zuständig, § 16 Abs. 2 RPflG.

 

Rz. 5

Liegt ein Erbfall mit grenzüberschreitendem Bezug zu einem Mitgliedstaat vor, ist zur Ausstellung, Berichtigung, Änderung oder zum Widerruf des Europäischen Nachlasszeugnisses aber wiederum der Rechtspfleger zuständig, § 3 Nr. 2 Buchst. i RPflG.[2]

[2] Köhler, in: Gierl/Köhler/Kroiß/Wilsch, Internationales Erbrecht, 2017, Teil 1 § 7 Rn 7.

III. Örtliche Zuständigkeit des deutschen Nachlassgerichts

1. Letzter gewöhnlicher Aufenthalt im Inland

 

Rz. 6

Hatte der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, ist das Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, § 343 Abs. 1 FamFG.

Unter "gewöhnlichem Aufenthalt" i.S.v. § 343 FamFG ist jegliche tatsächliche Anwesenheit an einem Ort – gleichgültig, ob vorübergehend oder von längerer Dauer – zu verstehen.[3]

[3] Keidel/Zimmermann, FamFG, § 343 Rn 61; Gierl, in: Gierl/Köhler/Kroiß/Wilsch, Internationales Erbrecht, 2017, Teil 3 § 6 Rn 6.

2. Kein letzter gewöhnlicher Aufenthalt im Inland

 

Rz. 7

Hatte der Erblasser zur Zeit des Erbfalls keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, so ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatte, § 343 Abs. 2 FamFG.

 

Rz. 8

Sofern eine Zuständigkeit nach § 343 Abs. 1 und 2 FamFG nicht gegeben ist, ist gem. § 343 Abs. 3 FamFG das Amtsgericht Berlin-Schöneberg örtlich zuständig, wenn der Erblasser Deutscher ist oder sich Nachlassgegenstände im Inland befinden. Das Amtsgericht Berlin-Schöneberg kann jedoch aus wichtigem Grund an ein anderes Nachlassgericht verweisen. Das Amtsgericht Berlin-Schöneberg darf jedoch nur an ein anderes Gericht verweisen, wenn eine einzelfallbezogene Zweckmäßigkeitsprüfung erfolgt ist. Allein das Befinden von Nachlassgegenständen in einem anderen Gerichtsbezirk genügt nicht.[4]

 

Rz. 9

Daneben gibt es noch die besondere örtliche Zuständigkeit für die besondere amtliche Verwahrung von Testamenten in § 344 FamFG.

 

Rz. 10

Die internationale Zuständigkeit des Nachlassgerichts leitet sich nach § 105 FamFG von der örtlichen Zuständigkeit i.S.d. §§ 343, 344 FamFG ab.[5]

[4] KG, Beschl. v. 5.1.2016 – 1 AR 34/15, FGPrax 2016, 86.
[5] OLG Hamm, Beschl. v. 2.9.2010 – 15 W 448/10, DNotZ 2011, 389 = NJW-RR 2011, 666 = ZErb 2011, 111.

3. Weitere Regelungen zur örtlichen Zuständigkeit

 

Rz. 11

Neben den zuvor dargestellten Regelungen zur örtlichen Zuständigkeit gelten drei allgemeine Grundsätze:

1. die Vorgriffszuständigkeit gem. § 2 Abs. 1 FamFG;
2. die perpetuatio fori gem. § 2 Abs. 2 FamFG;

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