Rz. 125

Die Berührungspunkte zwischen dem Versorgungsausgleich und dem Unterhalt sind i.d.R. nur mittelbar. Durch den Versorgungsausgleich erhält der Ausgleichsberechtigte eigene Anrechte, die von denen des Ausgleichspflichtigen unabhängig sind. Die daraus fließenden Einkünfte mindern seine Bedürftigkeit. Sofern also Ausgleichspflicht und Unterhaltspflicht zusammenfallen, vermindert sich i.d.R. der Unterhaltsanspruch des Ausgleichsberechtigten, sobald er wegen der im Versorgungsausgleich übertragenen Anrechte eine (höhere) Versorgung bezieht. Das gilt umso mehr, als sich durch die Verringerung der Altersbezüge, welche sich für den Ausgleichspflichtigen zugleich aus dem Versorgungsausgleich ergibt, auch seine Leistungsfähigkeit verringert. Das trifft jedenfalls dann zu, wenn er der "Nettoverlierer" des Versorgungsausgleichs ist, selbst also mehr Anrechte hergeben muss, als er durch den Versorgungsausgleich erhält.

 

Rz. 126

Wegen der unterschiedlichen Berechnungszeitpunkte können sich auch direkte Berührungspunkte zwischen Versorgungsausgleich und Unterhaltsrecht ergeben. Das kommt dann in Betracht, wenn zu Beginn des Scheidungsverfahrens einer der beiden Ehegatten (oder beide) aus einem Deckungskapital bereits Rentenleistungen beziehen, sofern dieses Anrecht im Versorgungsausgleich auszugleichen ist, weil dann durch die während des Verfahrens weiterlaufende Zahlung der Versorgung das vorhandene Deckungskapital absinken kann, so dass die Entnahme des vollen Betrags zum Ehezeitende, das Kapital unangemessen schmälert, weil der andere Ehegatte über seinen Unterhaltsanspruch schon an den gezahlten Beträge partizipiert hat.

 

Rz. 127

 

Beispiel

M[52] bezieht Leistungen aus einem im Versorgungsausgleich auszugleichenden Anrecht, das aus einem Deckungskapital gezahlt wird. Das Anrecht hat ein Deckungskapital von 100.000,00 EUR, gezahlt wird eine Rente von 500,00 EUR mtl. Aus anderen Quellen hat M weiteres Einkommen, das zu einer Unterhaltspflicht gegenüber seiner Ehefrau F führt, weil schon dadurch der Selbstbehalt überschritten wird. Infolgedessen muss er von der Rente mtl. 250,00 EUR an F abführen. Das Scheidungsverfahren dauert drei Jahre.

In dem Beispiel ist der Stichtag für die Berechnung des Versorgungsausgleichs das Ende des Monats, welcher der Rechtshängigkeit des Scheidungsverfahrens vorausgeht (§ 3 Abs. 1 Vers­AusglG). Der Ausgleichswert beträgt die Hälfte des zu diesem Zeitpunkt vorhandenen Deckungskapitals, also 50.000,00 EUR.

Während des Scheidungsverfahrens werden von dem Deckungskapital aber 36 × 500,00 EUR verbraucht, weil eine entsprechende Rente gezahlt wird. Von diesen 18.000,00 EUR erhält die Ausgleichsberechtigte über den Unterhalt insgesamt 9.000,00 EUR. Zumindest dieser Betrag muss über § 27 VersAusglG (abgezinst) aus dem Versorgungsausgleich ausgeschlossen werden, weil sonst der Ehegatte doppelt begünstigt würde: nämlich einmal durch den Unterhalt und zum anderen durch den Versorgungsausgleich. Das geschieht dadurch, dass der Ausgleichswert der F um den Betrag vermindert wird.

Verfahrensrechtlich ist zu beachten, dass über den Versorgungsausgleich erst entschieden werden kann, wenn die Ehe geschieden ist, weil erst dann feststeht, wie viel des Deckungskapitals bereits während des Scheidungsverfahrens für den Getrenntlebensunterhalt verbraucht wurde. Der Versorgungsausgleich muss deswegen ausgesetzt werden.

Aber auch der Nachscheidungsunterhalt ist vor der Scheidung noch nicht entscheidungsreif: Soweit das Kapital an den Ausgleichspflichtigen gezahlt wurde, reduziert das seine Versorgung nach dem Wirksamwerden des Versorgungsausgleichs. Diese ist aber wiederum maßgebend für die Berechnung des Nachscheidungsunterhalts. Infolgedessen muss auch die Entscheidung über den Nachscheidungsunterhalt bis zur Entscheidung über den Versorgungsausgleich ausgesetzt werden.

[52] Beispiel in Anlehnung an das Beispiel von Hauß, FamRB 2010, 251, 253.

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