Rz. 11

So wichtig die Einholung von Verzichtserklärungen für eine vernünftige Planung ist, so gering ist die Bedeutung des klassischen Erbverzichts in der Praxis. Der Erbverzicht ist die weitestgehende Verzichtserklärung. Sie wird auch als scharfes Schwert bezeichnet, beseitigt sie doch den Verzichtenden und seine Abkömmlinge endgültig aus der Reihe der Erbprätendenten. § 2346 Abs. 1 S. 2 BGB beschreibt die so genannte Vorversterbensfiktion, indem dort geregelt ist, dass der Verzichtende von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen ist, wie wenn er zur Zeit des Erbfalls nicht mehr lebte; er hat auch kein Pflichtteilsrecht.

 

Rz. 12

Das bedeutet, dass derjenige, der einen Erbverzicht erklärt, so behandelt wird, als hätte er nie gelebt. Das gilt auch für seine Abkömmlinge (§ 2349 BGB). Diese weitreichende Verzichtserklärung mag zwar auf den ersten Blick genau dem Ziel entsprechen, das mit einem solchen Verzicht erreicht werden soll, nämlich dass der Verzichtende und dessen Stamm eben keine Ansprüche mehr haben. Die Verzichtserklärung, die sich als Erbverzicht versteht, hat aber leider auch die Folge, dass die gesetzlichen Erbteile der übrigen gesetzlichen Erben sich entsprechend erhöhen, was zur Folge hat, dass sich die Pflichtteilsansprüche eben dieser Personen als werthaltiger darstellen.[2]

Diese Folge wird von den Beteiligten oft nicht bedacht, das unbedachte Verwenden eines Erbverzichtes kann sogar zu einem Notarregress führen.[3]

 

Rz. 13

Wenn dies zur Konsequenz hat, dass in der Gestaltungspraxis nur in ganz wenigen Ausnahmefällen zum Erbverzicht gegriffen wird, heißt das noch nicht, dass die Gefahren des reinen Erbverzichts damit gebannt wären, denn die Rechtsprechung neigt dazu, auch stillschweigend erklärte Erbverzichte anzunehmen. So wurde beispielsweise die Erklärung eines Sohnes, er sei nach dem Erhalt eines Geldbetrages vom elterlichen Vermögen unter Lebenden und von Todes wegen ein für alle Mal abgefunden, als Erbverzicht ausgelegt.[4] Findet sich eine derartige Erklärung also in einem notariellen Vertrag, kann das zum endgültigen Verlust aller Ansprüche führen. Ob das letztlich so gewollt war, mag dahinstehen. Die Gefahr, dass unklare Formulierungen in notariellen Verträgen im Ergebnis als ein Erbverzicht ausgelegt werden, besteht nach dieser Rechtsprechung aber alle Mal.

Demzufolge kann auch vor solchen umfassenden Erklärungen nur gewarnt werden, es sei denn, man will ihnen tatsächlich Verzichtscharakter geben. Dann allerdings ist zu empfehlen, einen Erbverzicht auch als solchen zu benennen.

[2] Gockel, Verzichtserklärungen im Erbrecht, § 1 Rn 69 ff.

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