Rz. 92

Spätestens mit der Rechtskraft der Ehescheidung steht für alle Beteiligten fest, dass mit einer Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht mehr gerechnet werden kann. Demzufolge besteht auch jedenfalls zu diesem Zeitpunkt kein sachlicher Grund mehr, die – zu große – Wohnung für die übrige Familie zu erhalten. Daher ist spätestens zu diesem Zeitpunkt eine Verwertungsobliegenheit regelmäßig gegeben,[96] deren Verletzung zur Anrechnung des vollen Wohnwertes (Vermietungswert) führt.

 

Rz. 93

Umgekehrt wird regelmäßig vor Ablauf des Trennungsjahres – entsprechend der gesetzlichen Regelung im Scheidungsrecht – noch nicht von einer endgültigen Zerrüttung der Ehe ausgegangen, so dass die Möglichkeit der Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht ausgeschlossen werden kann. Dann würde aber die Verwertung der Wohnung der äußeren Rahmen für die Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft zerstören. Daher scheidet in diesem Zeitraum eine Verwertungsobliegenheit aus, so dass nur der angemessene Wohnwert angesetzt werden kann.[97]

 

Rz. 94

Im Übrigen ist nach den konkreten Umständen des Einzelfalles darauf abzustellen, ob das endgültige Scheitern feststeht; dann ist auch die Verwertung der Immobilie zumutbar, und der objektive Wohnwert anzusetzen.

 

Rz. 95

Vom endgültigen Scheitern der Ehe kann in folgenden Fällen ausgegangen werden:

mit Ablauf des Trennungsjahres, ohne dass ein Versöhnungsversuch unternommen worden ist, weil dann in der Regel von einer endgültigen Verfestigung der Trennung auszugehen ist;
mit Abschluss einer notariellen Trennungs- bzw. Scheidungsfolgenvereinbarung, da damit das endgültige Scheitern der Ehe dokumentiert wird[98] sowie
bei Rechtshängigkeit eines Scheidungsantrages, weil damit einer der Ehegatten zum Ausdruck bringt, dass er die Ehe als endgültig gescheitert ansieht[99] oder
wenn der in der Wohnung verbliebe Ehegatte einen neuen Lebensgefährten in die Wohnung aufnimmt.[100]
[96] Zu einem Ausnahmefall siehe BGH NJW 2000, 2349.
[97] BGH v. 20.10.1999 – XII ZR 297/07, NJW 2000, 284; Schürmann in NK-BGB, 2020, Vor §§ 1577, 1578 Rn 112 m.w.N.

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