Rz. 316

Aus dem Gesetz ergibt sich nicht, für welche Streitigkeiten das Schiedsgericht eingesetzt werden kann. Die Schiedsklausel kann für alle Rechtsbeziehungen vorgesehen werden, die der Erblasser auch durch Testament regeln kann. Dies können sowohl Streitigkeiten über Vermächtnisse und Auflagen als auch Streitigkeiten über die Erbberechtigung sein.[385] Die Auslegung eines Testaments fällt ebenfalls in den Kompetenzbereich eines Schiedsgerichts.[386]

 

Rz. 317

Was nicht in der Verfügungsmacht des Erblassers steht, kann auch nicht der Entscheidung durch ein Schiedsgericht unterstellt werden. Hierbei handelt es sich beispielsweise um Ansprüche des Pflichtteilsberechtigten.[387] Nach a.A.[388] können jedoch auch die Pflichtteilsberechtigten gebunden werden. Dies wird damit begründet, dass die prozessrechtliche Seite von der materiell-rechtlichen zu trennen ist. Der Erblasser ist zwar nicht in der Lage, über das Pflichtteilsrecht zu disponieren. Auf der anderen Seite ist es jedoch möglich, dass ein Schiedsgericht verbindlich über die Frage entscheiden kann, wer Erbe geworden ist. Dann muss es auch möglich sein, dass das Schiedsgericht, wenn es der Wille des Erblassers ist, über das Pflichtteilsrecht entscheidet. Nach Ansicht des LG Duisburg kann der Erblasser auch für Streitigkeiten über Ausgleichungsansprüche (§ 2050 Abs. 1 BGB) keine Schiedsgerichtsanordnung treffen.[389]

 

Rz. 318

Ebenfalls nicht der Schiedsgerichtsbarkeit können Streitigkeiten von Nachlassgläubigern unterworfen werden, deren Ansprüche nicht auf der Verfügung von Todes wegen beruhen, bzw. Streitigkeiten, ob ein Gegenstand zum Nachlass gehört.[390]

 

Rz. 319

Geht es um das Thema, ob Testamentsvollstreckung angeordnet wurde bzw. wer zum Testamentsvollstrecker berufen ist und mit welchen Kompetenzen er ausgestattet ist, kann der Erblasser derartige Streitigkeiten einem Schiedsgericht unterwerfen.[391] Handelt es sich dagegen um einen Streit über die Entlassung des Testamentsvollstreckers oder auch das Recht, diese zu beantragen, kann dies nicht einem Schiedsgericht unterstellt werden.[392] Dies ist damit zu begründen, dass es bei derartigen Verfahren um Rechte der Beteiligten geht, über die der Erblasser selbst nicht verfügen kann. Auch eine Anordnung des Erblassers, wonach der Testamentsvollstrecker als Einzelschiedsrichter auch über Streitigkeiten zwischen den Erben und dem Testamentsvollstrecker entscheiden soll, ist unwirksam.[393]

[385] MüKo/Leipold, § 1937 Rn 34.
[386] MüKo/Leipold, § 1937 Rn 34 m.w.N.
[387] BGH NJW 2017, 2115 = ZEV 2017, 416 m. abl. Anm. Geimer; dem BGH zust. Keim, NJW 2017, 2652; Wendt, ErbR 2017, 470; Reimann, FamRZ 2017, 1295. Dem BGH iErg zust., aber gegen die Einordnung des Problems als Frage der objektiven Schiedsfähigkeit Wolff, LMK 2017, 393840; Kröll, NJW 2018, 836. Auch nach Haas/Brosi, ZZPInt 21 (2016), 323 (338 ff.) geht es nicht um die objektive Schiedsfähigkeit, sondern um die subjektive Schiedsgebundenheit, die beim Pflichtteilsberechtigten fehle; ebenso Schulzweida, Schiedsvereinbarungen und Schiedsanordnungen im Erbrecht, 2020, 184 ff. – Wie der BGH OLG München ZEV 2018, 97 m. zust. Anm. Burchard; OLG München ZEV 2016, 334 = FamRZ 2016, 1310 m. abl. Anm. Schlosser; BayObLGZ 1956, 186 (189); BB 1995, Beil. Nr. 5 v. 27.4.1995, 5; LG Heidelberg ZEV 2014, 310 = ErbR 2014, 400 m. zust. Anm. Wendt; LG München II ZEV 2017, 274 zum Pflichtteilsergänzungsanspruch; Schulze, MDR 2000, 314 (316); Lange, ZZP 128 (2015), 407 (422 ff.); Staudinger/Otte (2017), Vor § 1937 Rn 8a; Grüneberg/Weidlich, § 1937 Rn 9; BeckOGK/Tegelkamp, § 1937 Rn 32; a.A. Muscheler, ZEV 2018, 120; Wegmann, ZEV 2003, 20 (21); Pawlytta, ZEV 2003, 89 (94); R. Werner, ZeV 2011, 506 (508); Crezelius, FS H. P. Westermann, 2008, 161 (172); Grunsky, FS H. P. Westermann, 2008, 255 (261 ff.); Geimer, FS Schlosser, 2005, 197 (206); F. Harder, Das Schiedsverfahren im Erbrecht, 2007, 98 ff.; Dawirs, Das letztwillig angeordnete Schiedsverfahren – Gestaltungsmöglichkeiten, 2014, 51 ff., 56; Zöller/Geimer, ZPO § 1066 Rn 18; Stein/Jonas/Schlosser, ZPO § 1066 Rn 3.
[388] Wegmann, ZEV 2003, 20, 21; Pawlytta, ZEV 2003, 89, 94; R. Werner, ZEV 2011, 506, 508; Crezelius, FS H. P. Westermann, 2008, S. 161, 172; Grunsky, FS H. P. Westermann, 2008, S. 255, 261 ff.; Geimer, FS Schlosser, 2005, S. 197, 206; F. Harder, Das Schiedsverfahren im Erbrecht, 2007, S. 98 ff.; Dawirs, Das letztwillig angeordnete Schiedsverfahren – Gestaltungsmöglichkeiten, 2014, S. 51 ff., 56; Zöller/Geimer, § 1066 Rn 18; Stein/Jonas/Schlosser, § 1066 Rn 3.
[389] LG Duisburg ZEV 2022, 103 m. zust. Anm. Burchard.
[390] BayObLGZ 1956, 186, 189; Schiffer, BB Beil. Nr. 5 v. 27.4.1995, S. 3.
[391] MüKo/Leipold, § 1937 Rn 38; a.A. Zimmermann, ErbR 2021, 181 (183), weil das Nachlassgericht für die Erteilung des Testamentsvollstreckerzeugnisses zuständig sei und dieses bei Entscheidung eines Schiedsgerichts womöglich gegen seine Überzeugung erteilen müsste. Aber das ist beim Erbschein nicht anders.

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