Rz. 93

Durch den Wechsel in den Güterstand der Gütergemeinschaft werden die beiden Vermögenssubstanzen der Ehegatten zu einem gemeinschaftlichen Vermögen, dem sog. "Gesamtgut" verschmolzen (§ 1416 Abs. 1 S. 1 BGB). Das Gesamtgut entsteht kraft Gesetzes und Bedarf infolgedessen keines rechtsgeschäftlichen Übertragungsaktes (§ 1416 Abs. 2 Hs. 2 BGB). Durch diese Maßnahme wird Vermögen des wohlhabenderen Ehegatten auf den ärmeren Ehegatten umgeschichtet. Eine solche Maßnahme bleibt natürlich nicht ohne Auswirkungen auf das Pflichtteilsrecht.

Zum einen ändert sich die gesetzliche Erbquote des Ehegatten. Diese beträgt in der Gütergemeinschaft nach § 1931 Abs. 1 BGB lediglich noch ein Viertel. Im Rahmen der Zugewinngemeinschaft stand dem Ehegatten darüber hinaus noch das pauschale Zugewinnviertel aus §§ 1931 Abs. 3 i.V.m. § 1371 Abs. 1 BGB zu.

Zum anderen wird durch die "Halbierung" des Vermögens der Nachlass letztendlich reduziert.

Es muss aber berücksichtigt werden, dass sich die Pflichtteilsquote der Abkömmlinge erhöht. Standen diesen im Rahmen der Zugewinngemeinschaft als Erbquote ½ zu und damit eine Pflichtteilsquote von ¼, erhöht sich die Pflichtteilsquote durch die Vereinbarung der Gütergemeinschaft auf ⅜ (Erbquote ¾). Folglich kommt der Gütergemeinschaft nur dann pflichtteilsreduzierende Wirkung zu, wenn das von Seiten des Erblassers in die Gütergemeinschaft eingebrachte Vermögen dreimal so viel wert war wie das des anderen Ehegatten. Dies gilt aber nur gegenüber pflichtteilsberechtigten Abkömmlingen.

Obschon mit dem Wechsel in die Gütergemeinschaft ein erheblicher Vermögenstransfer auf den anderen Ehegatten verbunden sein kann, sieht der BGH hierin keine pflichtteilsergänzungsrelevante Zuwendung.[174] Demnach stehe es den Ehegatten frei, ihre güterrechtlichen Verhältnisse für die Zukunft zu ändern, ohne dass der güterrechtliche Rechtsgrund der Schenkung verdrängt werde. Der BGH stellt hierzu folgenden Grundsatz auf: "In der Begründung einer Gütergemeinschaft kann nur ausnahmsweise eine Schenkung des begüterten an den bereicherten Ehegatten liegen. Dazu bedarf es außer der Einigung über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung noch einer Verdrängung der güterrechtlichen causa für die Bereicherung durch den schuldrechtlichen Schenkungsvertrag. Für eine solche Annahme bedarf es der Feststellung, dass die Geschäftsabsichten der Eheleute nicht in der Zweckverwirklichung der Ehe auf eine Ordnung der beiderseitigen Vermögen gerichtet waren."[175] Es geht also im Wesentlichen um den Schutz der pflichtteilsberechtigten Abkömmlinge durch die Verhinderung missbräuchlicher Gestaltungen. So kann z.B. eine kurz vor dem Tod eines Ehegatten getroffene güterrechtliche Vereinbarung Pflichtteilsergänzungsansprüche auslösen.[176] Das Gleiche gilt auch dann, wenn kurz nach Vereinbarung der Gütergemeinschaft wieder Gütertrennung vereinbart wird und dadurch ein überdurchschnittlicher Teil des Vermögens auf den bisher eigentlich vermögenslosen Ehegatten transferiert wird.[177]

 

Praxishinweis

Der juristische Berater sollte sehr vorsichtig mit der Vereinbarung einer Gütergemeinschaft zur Vermeidung von Pflichtteilsergänzungsansprüchen umgehen. Liegen dem Wechsel des Güterstandes ehefremde Zwecke zu Grunde, führt der Wechsel nicht zur Vermeidung von Pflichtteilsergänzungsansprüchen. Es muss also festgehalten werden, dass die Vereinbarung einer Gütergemeinschaft nicht sicher zur Reduzierung von Pflichtteilsergänzungsansprüchen führt. Da auf der anderen Seite aber dem Güterstand der Gütergemeinschaft nicht unerhebliche Nachteile anhaften wie z.B. die gesetzlich angeordnete Haftungsgemeinschaft, sollte nur sehr zurückhaltend mit dieser Konstruktion umgegangen werden.

[174] BGHZ 116, 178, 182 = NJW 1992, 558 = FamRZ 1992, 304.
[175] BGHZ 116, 178, 182.
[176] OLG Stuttgart BWNotZ 1990, 113.
[177] BGHZ 118, 178, 182; RGZ 87, 301.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge