Rz. 76
Zum Thema
Jahnke "Mittelbare Betroffenheit und Schadensersatzanspruch" r+s 2003, 89; Jahnke, Unfalltod und Schadenersatz, 2. Aufl. 2012, § 2 Rn 559 ff.; Jahnke/Thinesse-Wiehofsky, 1. Aufl. 2013, § 2 Rn 386 ff.
(1) Verletzung des Nasciturus
Rz. 77
Wird der Fötus selbst durch unmittelbare physische Einwirkung verletzt, ist der daraus entstehende Schaden zu ersetzen, wobei das im Unfallzeitpunkt noch ungeborene Kind eine eigene unfallbedingte Verletzung (§ 287 ZPO) nachweisen muss und nicht auf die unfallkausale Verletzung der Mutter verweisen kann.[112]
(2) Verletzung der Mutter
Rz. 78
Der unmittelbare Gesundheitsschaden eines Ungeborenen kann auch durch Verletzung der Mutter während der Schwangerschaft vermittelt werden (z.B. Infektion,[113] Medikamentenbehandlung der Mutter, Sauerstoffunterversorgung, Operation, Schock[114]). Auch dem infolge einer Verletzung seiner Mutter mit einem Gesundheitsschaden überlebend zur Welt gekommenen Kind stehen dann eigene Ersatzansprüche zu.[115]
Rz. 79
Der Abfindungsvergleich der Mutter über ihre eigenen Ansprüche betrifft nicht die Ansprüche des Nasciturus.[116]
Rz. 80
Im Ausnahmefall stehen auch einem zum Handlungszeitpunkt noch nicht einmal Gezeugten Ansprüche zu (z.B. Infektion [wie Röteln,[117] Hepatitis, Aids][118] der Kindesmutter vor Zeugung[119]). Das gilt allerdings nicht für die Eintrittspflicht der gesetzlichen Unfallversicherung. Deren Schutz (§ 12 SGB VII) erstreckt sich nicht auf Schädigungen des Kindes, die auf vor der Zeugung eingetretene Ereignisse (z.B. Berufserkrankung) zurückzuführen sind (siehe Rn 89).
(3) Mitverantwortung der Mutter
Rz. 81
Der Nasciturus ist vor der Geburt keine (selbstständige/eigenständige) "dritte Person" i.S.d. Schadenersatzvorschriften, sondern bis zur Geburt Teil einer (dann anderen) Person (Identität mit Mutter).[120] Mutter und Leibesfrucht sind vor der Geburt eine Einheit im haftungsrechtlichen Sinne (nicht: Haftungseinheit).[121] Eine Mitverantwortung der Mutter zum Schadengrund und/oder zur Schadenhöhe führt damit zu einer unmittelbaren Anspruchskürzung auch der Direktansprüche des überlebenden, aber geschädigt Geborenen, selbst wenn man den Unterhaltsmehraufwand als – dann dort zu kürzende – Anspruchsmöglichkeit der Eltern darstellt.[122]
Rz. 82
Als Schädigungshandlung der Mutter kommen neben einem mitversch...
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