Rz. 45

BGH, Urt. v. 13.10.2009 – VI ZR 318/08, zfs 2010, 84 = VersR 2010, 130

Zitat

BGB § 249 Abs. 2 S. 1; ZPO § 287

a) Im Falle eines wirtschaftlichen Totalschadens kann der Geschädigte, der ein Sachverständigengutachten einholt, das eine korrekte Wertermittlung erkennen lässt, und im Vertrauen auf den darin genannten Restwert und die sich daraus ergebende Schadensersatzleistung des Unfallgegners sein Fahrzeug reparieren lässt und weiternutzt, seiner Schadensabrechnung grundsätzlich diesen Restwertbetrag zugrunde legen.
b) Der vom Geschädigten mit der Schadensschätzung zum Zwecke der Schadensregulierung beauftragte Sachverständige hat als geeignete Schätzgrundlage für den Restwert im Regelfall drei Angebote auf dem maßgeblichen regionalen Markt zu ermitteln und diese in seinem Gutachten konkret zu benennen.

a) Der Fall

 

Rz. 46

Der Kläger machte restliche Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall vom 11.7.2007 geltend, für dessen Folgen die Beklagte als Haftpflichtversicherer dem Grunde nach unstreitig in vollem Umfang einzustehen hatte. Der vom Kläger mit der Begutachtung des Schadens beauftragte Sachverständige ermittelte für dessen Fahrzeug, einen Mercedes Benz A 170, einen Brutto-Wiederbeschaffungswert von 5.000 EUR, Brutto-Reparaturkosten in Höhe von ca. 8.000 EUR sowie einen Restwert von 1.000 EUR, zu dem es im Gutachten vom 17.7.2007 hieß: "Restwert: Angebot liegt vor EUR 1.000" und "Der ausgewiesene Restwert basiert auf Angeboten von Interessenten". Der Kläger hatte sein Fahrzeug reparieren lassen und nutzte es weiter. Die Beklagte verwies den Kläger mit Schreiben vom 2.8.2007 auf ein Restwertangebot eines spezialisierten Restwertaufkäufers in Frankfurt in Höhe von 4.210 EUR und zahlte dem Kläger lediglich einen Betrag von insgesamt 790 EUR.

 

Rz. 47

Mit seiner Klage machte der Kläger den Differenzbetrag in Höhe von 4.000 EUR (5.000 EUR Wiederbeschaffungswert abzüglich 1.000 EUR Restwert) abzüglich gezahlter 790 EUR geltend. Vor dem Amtsgericht hatte er Erfolg. Das Landgericht hat dagegen den Restwert auf 2.000 EUR geschätzt und das erstinstanzliche Urteil entsprechend abgeändert. Mit seiner zugelassen Revision verfolgte der Kläger sein Klagebegehren weiter, soweit das Berufungsgericht hinsichtlich des Restwerts das erstinstanzliche Urteil zu seinem Nachteil abgeändert hatte.

b) Die rechtliche Beurteilung

 

Rz. 48

Das Berufungsgericht meinte, jedenfalls dann, wenn von Seiten des Gerichts nicht beurteilt werden könne, auf welcher Grundlage der vom Kläger beauftragte Sachverständige den Restwert bestimmt habe, könne dieser nicht allein maßgeblich für die Schadensberechnung sein. In diesem Fall könne und müsse das Gericht ggf. unter sachverständiger Beratung nach § 287 ZPO die Höhe des Restwertes schätzen. Bei der Bestimmung des Restwertes müsse sich der Kläger zwar nicht auf das Angebot des in Frankfurt ansässigen spezialisierten Restwertaufkäufers in Höhe von 4.210 EUR verweisen lassen, weil dieses außerhalb des dem Kläger zugänglichen allgemeinen regionalen Marktes abgegeben worden sei und die Beklagte den Kläger, der Herr des Restitutionsverfahrens sei, durch die Unterbreitung eines solchen Angebotes nicht zum Verkauf des Fahrzeugs zwingen könne. Die Beklagte habe jedoch den Nachweis erbracht, dass auf dem relevanten regionalen Markt ein höherer Restwert als der vom Kläger veranschlagte Betrag von 1.000 EUR zu realisieren gewesen sei. Der vom Amtsgericht beauftragte gerichtliche Sachverständige habe Angebote von Autohäusern im regionalen Bereich eingeholt, die sich im Bereich zwischen 1.000 EUR, 2.500 EUR und 2.560 EUR bewegt hätten. Dabei sei dem Kläger jedenfalls eine nahe liegende telefonische Anfrage bei der Mercedes-Benz Niederlassung in der Stadt S. zumutbar gewesen, die nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zu einem Angebot von 2.500 EUR geführt hätte. Mit Blick auf die deutlichen Preisunterschiede bei örtlichen Markenfachhändlern sei der Restwert deshalb auf 2.000 EUR zu schätzen.

 

Rz. 49

Die hiergegen gerichtete Revision des Klägers hatte keinen Erfolg.

Das Berufungsgericht war zutreffend von der Rechtsprechung des erkennenden Senats ausgegangen, wonach sich der Geschädigte, der im Totalschadensfall sein unfallbeschädigtes Fahrzeug – ggf. nach einer (Teil-)Reparatur – weiter nutzt, bei der Abrechnung nach den fiktiven Wiederbeschaffungskosten in der Regel den in einem Sachverständigengutachten für den regionalen Markt ermittelten Restwert in Abzug bringen lassen muss. Diesen Wert hat es im Rahmen der vom Gerichtssachverständigen ermittelten drei Angebote auf einen Zwischenwert von 2.000 EUR geschätzt.

 

Rz. 50

Die Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruchs ist in erster Linie Sache des nach § 287 ZPO besonders frei gestellten Tatrichters. Sie ist revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob der Tatrichter Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat. Dies war hier – entgegen der Auffassung der Revision – nicht der ...

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