aa) Allgemeines

 

Rz. 231

Nach der allgemein üblichen Definition liegt ein Beweisantrag vor, wenn ein Verfahrensbeteiligter ernsthaft verlangt, dass zum Nachweis einer bestimmten Tatsache durch Gebrauch eines bestimmten Beweismittels Beweis erhoben wird und die Beweisbehauptung die Tatsachenbasis eines in der Sache entscheidenden Urteils betrifft. Nach den Änderungen der StPO durch das "Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens" v. 10.12.2019“ (BGBl I, S. 2121) ist die Beweisantrag jetzt in § 244 Abs. 3 S. 1 StPO ausdrücklich definiert. Diese über §§ 46, 71 OWiG auch für das Bußgeldverfahren geltende Neuregelung hat aber keine Änderungen beim Begriff des "Beweisantrages" gebracht, sondern nur die obergerichtliche Rechtsprechung dazu umgesetzt (Burhoff/Burhoff, HV, Rn 1054 ff. m.w.N.; Burhoff/ Niehaus, OWi, Rn 502 ff.). Der Beweisantrag ist ein förmlicher Antrag, der i.d.R. auch nur durch förmlichen Beschluss des Gerichts zurückgewiesen werden kann (§ 244 Abs. 6 S. 1 StPO.

 

Hinweis

Das ist einerseits der große Vorteil, macht aber andererseits das Handling mit dem Beweisantrag auch so schwierig, da das Vorliegen an ganz bestimmte Voraussetzungen gebunden ist. Gerade wegen der bei Vorliegen eines Beweisantrages grds. nur eingeschränkten Ablehnungsmöglichkeiten muss der Verteidiger, auch wenn das AG nach § 77 OWiG im OWi-Verfahren weiter gehende Möglichkeiten der Ablehnung hat (dazu Rdn 249 ff.), auch im Bußgeldverfahren besondere Sorgfalt auf die Formulierung seiner Anträge verwenden. Sind sie nicht sorgfältig genug formuliert, hat das Gericht (noch) leichter die Möglichkeit, den Antrag abzulehnen (vgl. das Beispiel bei OLG Hamm, VRR 2010, 113 = StRR 2009, 105 und die Beispiele bei Rdn 236 f.; zur Formulierung von Beweisanträgen in Zusammenhang mit der Videomessung OLG Hamm, VRR 2010, 315 m. Anm. Deutscher).

 

Rz. 232

Inhaltlich muss der Beweisantrag auf jeden Fall zwei Elemente enthalten, nämlich die Beweisbehauptung oder -tatsache und das Beweismittel. Nach der Neuregelung in § 244 Abs. 3 S. 1 StPO muss der Beweisantrag jetzt zudem grds. auch noch Ausführungen zur sog. Konnexität enthalten muss. Das war früher umstritten, ist aber in der Rechtsprechung des BGH grds. bejaht worden (zur Entwicklung und zu den Einzelheiten eingehend Burhoff/Burhoff, HV, Rn 1054 ff. 1158 ff. m.w.N.; Burhoff/ Niehaus, OWi, Rn 529 m.w.N.; zum alten Recht Meyer, DAR 2011, 744 f.; s. Rdn 242). Ausführungen zur Konnexität sind zumindest dann erforderlich, wenn nicht klar zu erkennen ist, welche Verbindung zwischen Beweismittel und Beweistatsache besteht (Burhoff/Burhoff, HV, Rn 1180 m.w.N.), was häufig beim Zeugenbeweis der Fall sein dürfte (vgl. zum neuen Recht z.B. BGH, Beschl. v. 1.9.2021 – 5 StR 188/21, NJW 2021, 3404 = NStZ 2021, 754; Beschl. v. 11.11.2020 – 3 StR 291/20, NStZ-RR 2020, 57).

 

Hinweis

Bei der Formulierung eines Beweisantrages muss der Verteidiger das Augenmerk aber nicht nur auf diese Elemente haben, sondern darüber hinaus immer auch die möglichen Ablehnungsgründe des § 244 Abs. 3 bis 5 StPO im Auge behalten. Das gilt vor allem auch, wenn es um die Ablehnung eines Beweismittels als "ungeeignet" i.S.v. § 244 Abs. 3 S. 3 Nr. 4 StPO gehen könnte, worauf häufig beim Zeugenbeweis zurückgegriffen wird, wenn es sich um längere Zeit zurückliegende Tatsachen handelt, zu denen der Zeuge Bekundungen machen soll (dazu BVerfG, NJW 2004, 1443; BGH, StV 2005, 115 m.w.N.). Droht eine solche Argumentation sollte der Verteidiger schon im Beweisantrag auf die entsprechenden Erinnerungsbrücken, die dem Zeugen zur Verfügung stehen hinweisen, um von vornherein eine Ablehnung wegen "Ungeeignetheit" zu vermeiden (dazu BGH, NStZ 2004, 508; anschaulich BGH, NStZ 2010, 52 = VRR 2009, 432 = StRR 2009, 463, jeweils m. Anm. Burhoff; NStZ-RR 2012, 51). Desto zeitlich weiter entfernt das Ereignis zurückliegt, desto mehr und umfangreicher sollte zu dem Erinnerungsvermögen des Zeugen vorgetragen werden (zum "ungeeigneten" Zeugen noch OLG Düsseldorf, VRR 2008, 242 = VA 2008, 137 [nach längerem Zeitablauf gestellter Beweisantrag auf Einhaltung des Mindestabstands im Straßenverkehr]).

bb) Beweistatsache

 

Rz. 233

Bei der (Beweis-)Tatsache wird es sich i.d.R. um in der Vergangenheit liegende (tatsächliche) Vorgänge handeln. Von besonderer Bedeutung sind dabei im OWi-Verfahren die mit einer durchgeführten Messung zusammenhängenden Umstände, sei es, dass es um die Beachtung der für die Verwertbarkeit der Messung erforderlichen Vorgaben des Herstellers und/oder der Rechtsprechung geht, sei es, dass Zeugen, i.d.R. die Messbeamten, zu dem Messvorgang gehört werden sollen. Aber auch die Frage, wer Fahrer des Kfz zum Vorfallszeitpunkt gewesen ist, ist in der Praxis in Zusammenhang mit Beweisanträgen von erheblicher Bedeutung.

 

Rz. 234

Erforderlich ist, wenn ein Messfehler geltend gemacht werden soll, dass dieser konkret behauptet und nicht nur allgemein die (behauptete) Unzuverlässigkeit eines Messverfahrens geltend gemacht wird. Eine nur allgemeine Behauptung reicht für die Einholung eines Sachverstän...

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