Rz. 40

Die Auslegung entscheidet in Zweifelsfällen auch darüber, in welchem Umfang der Erblasser zur Verfügung über solche Inhalte befugt ist. So wird es bspw. regelmäßig der Üblichkeit entsprechen, dass der Erblasser mit seiner Familie oder Freunden über Briefe spricht, die er erhalten hat, oder mit ihnen Fotos teilt. Anders ist es, wenn die Inhalte nicht im privaten Bereich verbleiben, sondern der Erblasser sie der Öffentlichkeit zur Kenntnis bringt oder bringen will, ohne dass der betroffene Dritte dem zugestimmt hat oder damit rechnen konnte. Dann hat der Dritte ggf. Abwehransprüche aufgrund einer Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts.[36]

 

Rz. 41

Die Einschränkung einer Einwilligung für den rein privaten Bereich ergibt sich eher in Ausnahmefällen. Wenn der Erblasser und der betroffene Dritte bspw. im Vorhinein ausdrücklich vereinbart haben, dass gewisse Inhalte zwischen ihnen geheim bleiben sollen, so hat sich der Erblasser daran zu halten. Insoweit ist die Situation nicht anders als in geschäftlichen Beziehungen, wenn Stillschweigen vereinbart wird. Der betroffene Dritte wird dem Erblasser allerdings regelmäßig nicht einseitig eine Geheimhaltung auferlegen können. Wenn etwa O dem Y einen Brief schreibt, Y diesen öffnet und dann am Ende des Briefs liest, wie O dort von ihm absolutes Stillschweigen über den soeben gelesenen Inhalt verlangt, so wird man von Y nicht erwarten können, dass er sich daran hält. O hätte dieses Stillschweigen vorab mit Y vereinbaren müssen oder ihm zumindest am Anfang des Briefs darauf hinweisen müssen. Für die Auslegung der Einwilligung sind also die Interessen des Empfängers der Einwilligungserklärung von Belang.[37]

 

Rz. 42

Im Strafrecht ist man sich deshalb auch einig, dass die Verfügungsbefugnis über einen Brief mit dem Zugang von dem Absender auf den Empfänger übergeht. Der Empfänger kann mit Eingang des Briefes in seinen Gewahrsamsbereich in der Regel frei darüber verfügen, wer den Brief öffnet, z.B. seine Sekretärin oder ein Familienmitglied. Das gilt auch dann, wenn der Absender den Brief mit dem Vermerk "persönlich" oder "vertraulich" versehen hat. Bei Unternehmen und Behörden sollen sogar die internen Organisationsregeln darüber entscheiden, wer den Brief öffnen darf, und nicht der Absender, selbst dann, wenn der Absender dazu eine Vorausbestimmung getroffen hat.[38]

[36] Vgl. dazu MüKo-BGB/Rixecker, Abschnitt Allg. PersönlR Rn 58 ff, 150 ff.
[37] Vgl. auch Pruns, ZErb 2017, 217, 221 f.
[38] Vgl. zum Ganzen Fischer, StGB, 64. Aufl. 2017, § 202 StGB Rn 7 m.w.N.

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