Rz. 27

Im Kern geht es in den zitierten Entscheidungen um das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist im BGB nicht näher kodifiziert. Es ist aber als "sonstiges Recht" (vgl. § 823 Abs. 1 BGB) anerkannt und wird aus dem verfassungsrechtlichen Schutzauftrag der Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG sowie aus dem Schutzauftrag des Art. 8 Nr. 1 EMRK hergeleitet.[22]

[22] Vgl. MüKo-BGB/Rixecker, Abschnitt Allg. PersönlR Rn 2 m.w.N.

a) Das allgemeine Persönlichkeitsrecht als Rahmenrecht und das Prinzip des überwiegenden Interesses

 

Rz. 28

Die Reichweite des allgemeinen Persönlichkeitsrechts steht nicht von vornherein fest. Sie kann vielmehr erst durch Abwägung nach dem Prinzip des überwiegenden Interesses im Einzelfall bestimmt werden. Dazu der BGH in seiner bereits oben angesprochenen Entscheidung:[23]

Zitat

"Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist ein Rahmenrecht, dessen Reichweite nicht absolut feststeht. Diese muss vielmehr durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalls sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (vgl. Senatsurteile vom 30.9.2014 – VI ZR 490/12, AfP 2014, 534, 536; vom 29.4.2014 – VI ZR 137/13, AfP 2014, 325 Rn 8; vom 17.12.2013 – VI ZR 211/12, BGHZ 199, 237 Rn 22). Der Bereich der Intimsphäre genießt überragend bedeutenden Schutz (vgl. BVerfGE 119, 1 Rn 102). Der Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung ist einer Abwägung nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht zugänglich (BVerfG AfP 2009, 365 Rn 25)."

b) Die Einwilligung

 

Rz. 29

Der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts reicht nur soweit, wie der Betroffene des Schutzes auch bedarf. Insoweit spielt die Einwilligung des Betroffenen eine entscheidende Rolle, denn durch sie kann der Betroffene sogar auf den Schutz des eigentlich unantastbaren Kernbereichs der privaten Lebensgestaltung verzichten. Auch das hat der BGH in seiner angesprochenen Entscheidung anschaulich ausgeführt:

Zitat

"Der Schutz des Persönlichkeitsrechts kann allerdings entfallen oder zumindest im Rahmen der Abwägung zurücktreten, wenn der Grundrechtsträger den Kernbereich der privaten Lebensgestaltung von sich aus öffnet, bestimmte, an sich dem unantastbaren Kernbereich zuzurechnende Angelegenheiten der Öffentlichkeit zugänglich macht und damit zugleich die Sphäre anderer oder die Belange der Gemeinschaft berührt (vgl. Senatsurteile vom 25.10.2011 – VI ZR 332/09, Rn 12 m.w.N.; vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 14.9.1989 – 2 BvR 1062/87, BVerfGE 80, 367, 374 = NJW 1990, 563; BVerfG, AfP 2009, 365 Rn 25 [BVerfG 10.6.2009 – 1 BvR 1107/09]). Denn niemand kann sich auf den Schutz seiner Intim- oder Privatsphäre hinsichtlich solcher Tatsachen berufen, die er selbst der Öffentlichkeit preisgegeben hat (vgl. Senatsurteile vom 26.5.2009 – VI ZR 191/08, VersR 2009, 1085 Rn 26; vom 25.10.2011 – VI ZR 332/09, a.a.O.; vom 20.12.2011 – VI ZR 261/10, VersR 2012, 368 Rn 16; jeweils m.w.N.; vgl. auch BVerfGE 101, 361, 385 [BVerfG 15.12.1999 – 1 BvR 653/96]; BVerfG, NJW-RR 2007, 1191, 1193 [BVerfG 9.3.2007 – 1 BvR 1946/04])."

c) Allgemeines Persönlichkeitsrecht und KunstUrhG

 

Rz. 30

Der Gesetzgeber hat die zur Bestimmung des Schutzumfangs des allgemeinen Persönlichkeitsrechts vorzunehmende Abwägung in einigen Fällen bereits selbst vorgenommen oder zumindest konkretisiert. So sind bspw. in § 23 Abs. 1 KunstUrhG Fälle geregelt, in denen es zur Verbreitung und Zurschaustellung eines Fotos der Einwilligung der abgebildeten Person nicht bedarf, etwa dann, wenn sie "nur als Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit" erscheint (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KunstUrhG). Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass die Einwirkung auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen von so geringem Ausmaß ist, dass die Interessen desjenigen, von dem die Einwirkung ausgeht, überwiegen.

 

Rz. 31

Die §§ 22 ff. KunstUrhG greifen allerdings eben nur dann ein, wenn es um die Verbreitung und Zurschaustellung von Aufnahmen geht. Das heißt aber nicht, dass bspw. das Anfertigen eines Fotos ohne Einwilligung der abgebildeten Person ohne weiteres erlaubt ist. Die Regelungen im KunstUrhG sind eine besondere Ausprägung des Schutzes des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, die "das bloße Innehaben und Betrachten von Bildaufnahmen gegen den Willen des Abgebildeten" zwar nicht erfasst, aber, so der BGH weiter:[24]

Zitat

"Nach der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung gibt Art. 2 Abs. 1 i.V.m. mit Art. 1 Abs. 1 GG kein allgemeines oder gar umfassendes Verfügungsrecht über die Darstellung der eigenen Person. Das Recht am eigenen Bild gewährleistet dem Einzelnen aber Einfluss- und Entscheidungsmöglichkeiten, soweit es um die Anfertigung und Verwendung von Bildaufzeichnungen seiner Person durch andere geht. […] Durch die Sonderregelung...

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