Rz. 273

Ein Verstoß gegen wesentliche Wahlvorschriften berechtigt nur dann zur Anfechtung der Wahl, wenn die Möglichkeit besteht, dass das Wahlergebnis durch den Verstoß beeinflusst werden konnte. Auf die positive Feststellung der Kausalität, d.h. einer tatsächlichen Beeinflussung der Wahl, kommt es nicht an.[562]

Negativ formuliert bedeutet dies, dass eine Anfechtung der Wahl ausgeschlossen ist, wenn durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte. Das ist nach der ständigen Rechtsprechung des BAG der Fall, wenn bei einer hypothetischen Betrachtungsweise eine Wahl ohne den Verstoß unter Berücksichtigung der konkreten Umstände zwingend zu demselben Wahlergebnis geführt hätte.[563] Die fehlende Kausalität bedarf somit der konkreten Feststellung, dass auch bei Beachtung der Wahlvorschriften kein anderes Wahlergebnis erzielt worden wäre.[564] Kann diese Feststellung nicht getroffen werden, bleibt die Wahl anfechtbar, da eben nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Wahlergebnis ohne den Verstoß möglicherweise anders ausgefallen wäre. Verbleibende Zweifel über die Kausalität gehen somit zu Lasten des Anfechtungsgegners.[565]

Sind beispielsweise nicht wahlberechtigte Arbeitnehmer irrtümlich auf die Wählerliste gesetzt oder Wahlberechtigte von der Wahl ausgeschlossen worden, so ist eine Kausalität dieses Verstoßes nur dann zu bejahen, wenn sich die Sitzverteilung bei der Zulassung bzw. Nichtzulassung der betroffenen Wähler rechnerisch hätte ändern können.[566] Ferner ist z.B. die fehlerhafte Zurückweisung eines Wahlvorschlags regelmäßig kausal für das Wahlergebnis, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass dieses bei ordnungsgemäßer Durchführung anders ausgefallen wäre.[567]

An der erforderlichen Kausalität fehlt es dagegen, wenn sich ein Wahlverstoß lediglich auf die Reihenfolge der gemäß § 25 BetrVG nachrückenden Ersatzmitglieder auswirkt, da die Ersatzmitglieder gerade nicht gewählt und damit auch nicht Teil des Wahlergebnisses i.S.d. § 19 BetrVG sind.[568] Ebenso begründet die vorzeitige Schließung eines Wahllokals keine Anfechtung, wenn dadurch kein Wahlberechtigter von der Stimmabgabe abgehalten worden ist.[569]

[565] Richardi/Thüsing, § 19 BetrVG Rn 37.
[566] BAG 28.4.1964 – 1 ABR 1/64, BB 1964, 883; BAG 31.5.2000 – 7 ABR 78/98, NZA 2000, 1350.
[567] BAG 29.6.1965 – 1 ABR 2/65, DB 1965, 1253.

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