Rz. 480

Die Übereinstimmung des Einigungsstellenspruchs mit geltendem Recht ist gerichtlich voll überprüfbar.[1090] Die Unwirksamkeit des Einigungsstellenspruchs kann aus falschen tatsächlichen Feststellungen der Einigungsstelle oder aus fehlerhaften rechtlichen Würdigungen folgen. Lediglich bei der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe steht der Einigungsstelle nach umstrittener Auffassung ein begrenzter Beurteilungsspielraum zu.[1091]

Insbesondere die Entscheidung der Einigungsstelle über ihre Zuständigkeit unterliegt der gerichtlichen Kontrolle.[1092] Der Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit eines Einigungsstellenspruchs kann deshalb erfolgreich darauf gestützt werden, dass die Einigungsstelle zu Unrecht vom Bestehen eines Mitbestimmungsrechts ausgegangen ist oder die Grenzen eines einschlägigen Mitbestimmungsrechts überschritten hat.[1093]

Verstöße gegen wesentliche Verfahrensvorschriften[1094] der Einigungsstelle sind im Grundsatz ebenfalls überprüfbar.[1095] Zu den wesentlichen Verfahrensvorschriften gehört insbesondere das Erfordernis der Gewährung rechtlichen Gehörs der Parteien durch die Einigungsstelle.[1096] Ein Verfahrensfehler ist allerdings dann unbeachtlich, wenn er zwischenzeitlich geheilt wurde.[1097]

Der Antragsteller kann Verfahrensverstöße im gerichtlichen Verfahren nach § 76 Abs. 5 BetrVG auch dann geltend machen, wenn er sie im Einigungsstellenverfahren nicht gerügt hat.[1098] Das Gesetz sieht insoweit keine Präklusion vor. Je nach den Umständen des Einzelfalls kann aber eine Verwirkung in Betracht kommen.[1099]

Justiziabel sind schließlich alle sonstigen Rechtsverstöße. Dazu zählen neben Verstößen gegen Grundrechte insbesondere solche gegen gesetzliche Arbeitnehmerschutzbestimmungen, etwa aus dem ArbZG, BUrlG, SGB IX, MuSchG, BEEG, gegen die im Betrieb geltenden Tarifverträge[1100] sowie gegen die betriebsverfassungsrechtlichen Grundsätze der §§ 2, 75 und 77 Abs. 3 BetrVG.[1101]

[1090] Herrschende Meinung; vgl. nur GK-BetrVG/Jacobs, § 76 Rn 154 f. m.w.N.; für eine Einschränkung der gerichtlichen Überprüfbarkeit auch von Entscheidungen der Einigungsstelle in Rechtsfragen analog § 76 Abs. 5 S. 4 BetrVG spricht sich Rieble, BB 1991, 471 aus.
[1091] Siehe BAG 11.7.2000 – 1 ABR 43/99, NZA 2001, 402; DKKW/Berg, § 76 BetrVG Rn 139; Henssler, RdA 1991, 268; für eine uneingeschränkte gerichtliche Kontrolle plädiert demgegenüber GK-BetrVG/Jacobs, § 76 Rn 155.
[1092] Siehe GK-BetrVG/Jacobs, § 76 Rn 157; ErfK/Kania, § 76 BetrVG Rn 22; vgl. auch Henssler, RdA 1991, 268 ff.
[1094] Eingehend zu Verfahrensvorschriften der Einigungsstelle sowie deren Rechtskontrolle Schönfeld, NZA 1988, Beilage 4, S. 3.
[1095] BAG 18.4.1989 – 1 ABR 2/88, NZA 1989, 807; BAG 11.2.1992 – 1 ABR 51/91, NZA 1992, 702; vgl. auch Fitting u.a., § 76 BetrVG Rn 151; DKKW/Berg, § 76 BetrVG Rn 89; Richardi/Maschmann, § 76 BetrVG Rn 114.
[1096] GK-BetrVG/Jacobs, § 76 Rn 157; Fitting u.a., § 76 BetrVG Rn 147 (m.w.N. aus der Rspr. des BAG).
[1097] Schönfeld, NZA 1988, Beilage 4, S. 4 f.
[1099] Schönfeld, NZA 1988, Beilage 4, S. 4 f.
[1100] Vgl. ErfK/Kania, § 76 BetrVG Rn 24; DKKW/Berg, § 76 BetrVG Rn 138; Fischer, NZA 1997, 1018; Fitting u.a., § 76 BetrVG Rn 117.
[1101] Siehe DKKW/Berg, § 76 BetrVG Rn 138; Fitting u.a., § 76 BetrVG Rn 117.

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