aa) Antragsbefugnis

 

Rz. 335

Einen Antrag nach § 23 Abs. 3 BetrVG kann außer dem Betriebsrat auch jede im Betrieb vertretene Gewerkschaft stellen. Sie muss hierfür nicht in eigenen Rechten betroffen sein, sondern kann auch die Rechte des Betriebsrats geltend machen.[798] Umgekehrt kann auch der Betriebsrat § 23 Abs. 3 BetrVG nutzen, wenn Rechte der im Betrieb vertretenen Gewerkschaft verletzt wurden.

[798] Fitting u. a., § 23 Rn 69.

bb) Pflichten nach dem BetrVG

 

Rz. 336

§ 23 Abs. 3 BetrVG betrifft Verpflichtungen des Arbeitgebers, die im BetrVG oder im AGG begründet sind (§ 17 Abs. 2 AGG). Allerdings sind auch Verstöße, die andere Gesetze verletzen, z.B. die Beteiligung des Betriebsrats vor Massenentlassungen nach § 17 Abs. 2 KSchG oder im Schwerbehindertenrecht nach §§ 181, 182 SGB IX, als betriebsverfassungsrechtliche Verstöße i.S.d. § 23 Abs. 3 BetrVG erfasst, soweit sie die betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsbeziehungen näher ausgestalten.[799]

 

Rz. 337

Auch Pflichten, die sich für den Arbeitgeber aus einer Betriebsvereinbarung (ggf. in Form eines Spruchs einer Einigungsstelle) ergeben, fallen unter die Verpflichtungen i.S.v. § 23 Abs. 3 BetrVG. Allerdings dürfte der Betriebsrat regelmäßig bereits unmittelbar nach § 77 Abs. 1 S. 1 BetrVG oder direkt aus der betroffenen Betriebsvereinbarung einen Anspruch auf ordnungsgemäße Durchführung der Vereinbarung haben – und somit unabhängig davon, ob ein grober Verstoß vorliegt.[800]

[799] HK-BetrVG/Düwell, § 23 Rn 58; Fitting u.a., § 23 Rn 60; Pohl, 990; Richardi/Thüsing, § 23 BetrVG Rn 94.
[800] BAG 21.1.2003 – 1 ABR 9/02, AP Nr. 1 zu § 21a BetrVG 1972; BAG 29.4.2004 – 1 ABR 30/02, AP Nr. 3 zu § 77 BetrVG 1972 Durchführung.

cc) Prozessstandschaft

 

Rz. 338

Grundsätzlich kann der Betriebsrat nicht als Prozessstandschafter die individualrechtlichen Ansprüche der Arbeitnehmer, sondern nur eigene Rechte geltend machen.[801] Für § 23 Abs. 3 BetrVG sieht dessen Satz 1 jedoch eine Prozessstandschaft gesetzlich vor.[802] Dadurch kann der Betriebsrat in eigenem Namen Rechte der Arbeitnehmer geltend machen, soweit das BetrVG solche Rechte mit kollektivem Bezug begründet, so z.B. nach § 81 Abs. 4 S. 3 und § 82 Abs. 2 S. 2 BetrVG (Hinzuziehung des Betriebsrats) oder nach § 75 BetrVG (Benachteiligungsverbot).[803]

[801] BAG 18.1.2005 – 3 ABR 21/04, AP Nr. 24 zu § 77 BetrVG 1972 Betriebsvereinbarung; BAG 20.5.2008 – 1 ABR 19/07, NZA-RR 2009, 102. Nach richtiger Ansicht ist der Betriebsrat allerdings an der Durchsetzung seiner eigenen Rechte nicht dadurch gehindert, dass hierdurch zugleich Individualansprüche erfüllt werden.
[803] BAG 16.11.2004 – 1 ABR 53/03, NZA 2005, 416; BAG 20.4.2010 – 1 ABR 85/08, NZA 2010, 1307; Richardi/Thüsing, § 23 BetrVG Rn 94; ErfK/Koch, § 23 BetrVG Rn 20; GK-BetrVG/Oetker, § 23 Rn 260.

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