Rz. 573

Häufig stellt der Arbeitnehmer in seiner Kündigungsschutzklage neben dem Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung auch einen Antrag auf Weiterbeschäftigung bis zum Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens für den Fall, dass er mit seiner Klage obsiegt. Wenn ein Arbeits- oder Landesarbeitsgericht durch Urteil die Unwirksamkeit einer streitgegenständlichen Beendigungskündigung[1261] festgestellt hat, besteht nach der Rechtsprechung des Großen Senats des BAG in der Regel der materielle Weiterbeschäftigungsanspruch, sodass diesem Antrag regelmäßig stattgegeben wird.[1262]

In diesem Zusammenhang stellt sich dann die Frage, ob ein nicht zu ersetzender Nachteil anzunehmen ist, sofern die Rechtsmittelinstanz die Kündigung möglicherweise als wirksam erachtet. Ein nicht zu ersetzender Nachteil wird hier regelmäßig abgelehnt, da der Arbeitgeber durch die Arbeitsleitung eine Gegenleistung für die Vergütung erhalte.[1263] Das kann jedoch dann nicht gelten, wenn eine vergleichbare Beschäftigungsmöglichkeit nicht (mehr) besteht und nur für die Vollstreckbarkeit des Weiterbeschäftigungsanspruchs geschaffen werden müsste.[1264]

Insbesondere ist die Arbeitsleistung als Gegenleistung für den Arbeitgeber wertlos und gerade kontraproduktiv, wenn etwa aus begründetem Anlass zu befürchten ist, dass die Weiterbeschäftigung schwerwiegende negative Auswirkungen auf das Betriebsklima haben könnte oder dem Arbeitnehmer etwa schwerwiegende Untreuehandlungen vorgeworfen werden.[1265]

Derartige Fallkonstellationen sind in der Praxis durchaus nicht selten. In diesen Fällen wird in aller Regel vom Arbeitnehmer kein Ersatz zu erlangen sein. Der Arbeitgeber sollte dann bereits im Kündigungsschutzprozess zusätzliche, über die Ungewissheit des Prozessausgangs in der Rechtsmittelinstanz hinausgehende Umstände vortragen, die gegen eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens sprechen.

[1261] Hat der Arbeitnehmer eine Änderungskündigung gemäß § 2 KSchG erhalten und das Änderungsangebot des Arbeitgebers unter dem Vorbehalt sozialer Rechtfertigung angenommen, soll dem Arbeitnehmer kein Weiterbeschäftigungsanspruch zustehen, wenn er tatsächlich weiterbeschäftigt wird; BAG 28. 5. 2009 – 2 AZR 844/07, NZA 2009, 954; a.A. ArbG Hamburg 17. 9. 2009 – 17 Ca 179/09, NZA-RR 2010, 139.
[1262] Vgl. hierzu BAG GS, 27.2.1985 – GS 1/84, AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht.
[1263] BAG GS 27.2.1985 – GS 1/84, AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht.
[1264] ErfK/Koch, § 62 ArbGG Rn 4.
[1265] Vgl. Reufels, § 3 Rn 469.

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