a) Antragsbefugnis

 

Rz. 477

Arbeitgeber und Betriebsrat sind regelmäßig antragsbefugt. Das analog § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ist grundsätzlich für beide Betriebsparteien gegeben.[1075] Nur in Einzelfällen kann das Feststellungsinteresse ausnahmsweise zu verneinen sein, etwa wenn der Einigungsstellenspruch wegen eines erledigenden Ereignisses keine Wirkung mehr entfalten kann.[1076]

Die Einigungsstelle selber ist nicht beteiligtenfähig, da sie lediglich Hilfsfunktionen für die Betriebsparteien wahrnimmt, ihr aber keine eigenen betriebsverfassungsrechtlichen Rechte zustehen.[1077]

Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften sind nicht beteiligtenfähig, da ihnen keine allgemeine Aufsichtsfunktion im Hinblick auf Betriebsvereinbarungen oder Sprüche der Einigungsstelle zugewiesen ist.[1078]

Ob Arbeitnehmer antragsbefugt sind, ist in der Literatur umstritten und höchstrichterlich bislang nicht entschieden. Die wohl herrschende Meinung[1079] lehnt eine Antragsbefugnis ab, da Arbeitnehmer nicht in einer für das Verfahren nach § 76 BetrVG erforderlichen betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsstellung betroffen sein können.

[1075] BAG 8.6.2004 – 1 ABR 4/03, AP Nr. 20 zu § 76 BetrVG 1972 Einigungsstelle; BAG 24.8.2004 – 1 ABR 23/03, AP Nr. 174 zu § 112 BetrVG 1972; ErfK/Kania, § 76 BetrVG Rn 29.
[1076] BAG 27.7.1982 – 6 ABR 51/79, AP Nr. 5 zu § 83 ArbGG 1979; GK-BetrVG/Jacobs, § 76 Rn 150.
[1077] GK-BetrVG/Jacobs, § 76 Rn 152 m.w.N.
[1078] BAG 18.8.1987 – 1 ABR 65/86, NZA 1988, 26; BAG 22.1.1980 – 1 ABR 28/78, AP Nr. 7 zu § 111 BetrVG 1972; GK-BetrVG/Jacobs, § 76 Rn 151.
[1079] Fitting u.a., § 76 BetrVG Rn 141; ErfK/Kania, § 76 BetrVG Rn 29; Richardi/Maschmann, § 76 BetrVG Rn 117.

b) Antrag

 

Rz. 478

Die gerichtliche Entscheidung hat feststellende, nicht aber rechtsgestaltende Wirkung.[1080] Der Antrag ist daher auf Feststellung der Unwirksamkeit des genau zu bezeichnenden Einigungsstellenspruchs zu richten.[1081] Hat die Einigungsstelle ihre Unzuständigkeit festgestellt, ist der Antrag auf das Bestehen des Mitbestimmungsrechts zu richten.

Gerichtlich überprüfbar ist nur der abschließende Spruch der Einigungsstelle, nicht aber Zwischenbeschlüsse, die sich auf den Verfahrensgang oder auf Vorfragen beziehen. Nicht eigenständig justiziabel ist daher insbesondere ein Zwischenbeschluss, mit dem die Einigungsstelle ihre Zuständigkeit bejaht.[1082]

Es ist möglich, die Anfechtung auf einen Teil des Einigungsstellenspruchs zu begrenzen.[1083] Das setzt voraus, dass der tenorierte Teil ein abgrenzbares Teilrechtsverhältnis betrifft und die Betriebsparteien die übrigen Regelungen übereinstimmend gelten lassen wollen.[1084]

[1081] BAG 15.3.2006 – 7 ABR 24/05, NZA 2006, 1422; Fitting u.a., § 76 BetrVG Rn 143.
[1082] GK-BetrVG/Jacobs, § 76 Rn 147.
[1083] Bauer u.a./Diller, Kap. 44 Muster 5 Fn 5.
[1084] BAG 30.5.2006 – 1 ABR 21/05, NZA 2006, 1240; LAG Hamm 27.3.1985 – 12 TaBV 129/84, NZA 1985, 631; GK-BetrVG/Jacobs, § 76 Rn 179; kritisch zur Möglichkeit einer Teilanfechtung Fischer, NZA 1997, 1017 ff.

c) Begründung

 

Rz. 479

Die Begründung des Antrags erlangt wegen der Fristenregelung in § 76 Abs. 5 S. 4 BetrVG besondere Bedeutung im Fall der Rüge einer Ermessensüberschreitung der Einigungsstelle. Denn innerhalb der Zwei-Wochen-Frist ist nicht nur der Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit des Einigungsstellenspruchs zu stellen, sondern es sind auch die Gründe der Ermessensüberschreitung im Einzelnen zu benennen.[1085] Das BAG hat zwar ausdrücklich offen gelassen, ob das Gericht nur solche Tatsachen berücksichtigen darf, die innerhalb der Zwei-Wochen-Frist vorgetragen wurden,[1086] oder ob es dem Antragsteller freisteht, die innerhalb der Frist vorgetragenen Gründe später zu konkretisieren und zu erweitern, solange dadurch nicht ein neuer Anfechtungsgrund eingeführt wird.[1087] Angesichts dieser Rechtsprechung ist es aus prozessualer Vorsicht geboten, den Antrag innerhalb der Frist eingehend zu begründen und alle relevanten Tatsachen vorzutragen.[1088]

Rechtsverstöße des Einigungsstellenspruchs können, da das Gesetz diesbezüglich keine Frist aufstellt, auch zu einem späteren Zeitpunkt gerügt werden.[1089] Im Fall der Geltendmachung von Rechtsverstößen kann eine Begründung daher auch nachträglich erfolgen; es gelten lediglich die allgemeinen prozessualen Verspätungsregeln.

[1085] BAG 26.5.1988 – 1 ABR 11/87, NZA 1989, 26; Fitting u.a., § 76 BetrVG Rn 158; GK-BetrVG/Jacobs, § 76 Rn 164; Richardi/Maschmann § 76 BetrVG Rn 128.
[1087] Fitting u.a., § 76 BetrVG Rn 159; GK-BetrVG/Jacobs, § 76 Rn 164 (unter Hinweis auf die Pflicht des Gerichts, den im Antrag hinreichend begründeten Sachverhalt gemäß § 83 Abs. 1 S. 1 ArbGG von Amts wegen weiter zu erforschen).
[1088] DKKW/Berg, § 76 BetrVG Rn 143.
[1089] So BAG 26.5.1988 – 1 ABR 11/87, NZA 1989, 26; ErfK/Kania, § 76 BetrVG Rn 28; Richardi/Maschmann, § 76 BetrVG Rn 115, 128.

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